Church of the Saviour – USA ’88, 4. Teil
Das Potter’s House dürfte in Washington D.C. schon eine Legende sein, ebenso wie sein Initiator und die Geschichte, die hinter der Gründung steckt. In den Fünfzigerjahren wurde der Prediger Gordon Cosby mit seiner Frau einmal in eine Kirche in den New-England-Staaten eingeladen. Sie empfanden die Atmosphäre dort als ebenso unfreundlich wie kalt. Für die Nacht wurden sie über einer lauten Kneipe untergebracht, in der bis in die Morgenstunden wild gefeiert wurde. Am nächsten Morgen meinten sie, dass Jesus sich aber auf alle Fälle in dieser Kneipe wohler gefühlt haben dürfte als in der Gemeinde. Die Idee für Washingtons erste Teestube war geboren.
Sie eröffnete 1960 in Columbia Heights, im gemütlich-dunkelbraunen Stil der damaligen Zeit gehalten. Zur Zeit der Unruhen nach der Ermordung Martin Luther Kings war sie ein Ort des Friedens, und in den vielen Jahren und Jahrzehnten ihres Bestehens haben hier unzählige Menschen Obdach und Lebenshilfe gefunden. Hier wurden nicht nur neben Kaffee und einem guten Essen auch Bücher angeboten, hier fanden ebenso Ausstellungen, Gottesdienste und Versammlungen statt. Vor allem aber lebte das Haus von den Menschen, allen voran Gordon und Mary Cosby. Wir haben es selbst erlebt.
Kaum hatten wir einen Kaffee bestellt, setzte sich Elizabeth O’Connor zu uns („You are Germans!“) und erzählte von der Gemeinde, der Church of the Saviour. Später setzte sich Gordon Cosby himself dazu. Er war damals immerhin schon um die 70, und er erklärte uns die Grundzüge seiner Gemeinde: Ihm war es wichtig, dass die Menschen sich auf eine innere und eine äußere Reise begeben. Für die inward journey hatte die Gemeinde schon seit den Fünfzigerjahren in Maryland ein Recreation Center aufgebaut, um im Rhythmus der Natur, das heißt dem Rhythmus Gottes leben zu lernen. Und es ist wichtig, die eigene Berufung zu finden und auf die outward journey zu gehen. Das alles hat mich schon damals stark an die Exerzitien des Ignatius von Loyola erinnert, die ich selbst allerdings erst fast 20 Jahre später kennenlernen sollte.

Gordon Cosby
Die äußere Reise mündet dann nicht selten im Engagement für die Gemeinde. Die Church of the Saviour besteht aus verschiedenen Teams, zum Beispiel eins für das Recreation Center, ein anderes für das Potter’s House. Wenn aber das Team größer wird als etwa 30 Personen, muss es sich teilen und eine neue task, eine neue Aufgabe finden. Heute sind es 40 ministries, die zur Church of the Saviour und den aus ihr entstandenen Kirchen gehören, von einer Aids-Seelsorge über Familienbildung, Obdachlosenhilfe bis zur Fortbildung von kirchlichen Mitarbeitenden.

Christ House
Cosby war wie Wallis zugewandt und geduldig, freundlich und ruhig. Man merkte aber auch, dass er es gewohnt war, aufmerksame Zuhörer zu haben. Zu Recht, wie Jim Wallis in seinem Nachruf beschreibt: Cosby hat unzählige Menschen begleitet und angeregt. Zum Beispiel Allan Goutcheus, den Präsidenten des Christ House, den wir auch im Potter’s House trafen.

A. Goutcheus
Allan war Pastor der United Methodist Church und seine Frau Janelle Ärztin. Eigentlich wollten sie in Pakistan arbeiten, bekamen kein Visum und dafür Kontakt zu Gordon Cosby. Aus dieser Begegnung heraus entstanden das Columbia Health Center und das Christ House, eine Gesundheitsstation für Obdachlose: Hoffnung für die Hoffnungslosen. Im Unterschied zu den Gottesdiensten im Potter’s House und der Kirche der Church of the Saviour, die besonders von Weißen besucht wurden, nahmen hier auch sehr viele Latinos und Farbige teil. Wir kamen während unserer Zeit in Washington dann auch im Christ House unter.
Allan gab uns dann noch den Tipp, John Steinbruck von der Luther Place Memorial Church zu besuchen. Wir haben den Rat befolgt und nicht bereut.
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Das 2. Bild zeigt das Potter’s House bei unserem Besuch 2010 © Erik Thiesen
Alle anderen Bilder von 1988 © Johannes Jurkat