wer es genauer möchte

Wo ich stehe

Wir hatten alles wunderbar geplant. Sechs Jahre wollte ich noch in der Gemeinde Niendorf als Pastor arbeiten. Die Erfahrungen der letzten Monate und Jahre waren vielversprechend: So hätte es gut weitergehen können zwischen Kita und Meditation, EDV und Konfis, Gottesdienst und Tibargfest. Danach wollten wir, meine Frau Ute und ich, vielleicht ein Jahr mit Blick aufs Wasser wohnen, die Route 66 fahren und uns dann in Niendorf zur Ruhe setzen. Es hätte so schön sein können.

Dann aber wurden wir noch einmal auf eine Reise geschickt, um eine neue Welt zu entdecken und neues Leben zu erforschen – ein wenig fühlen wir uns wie Dr. Livingstone im 19. oder Jean-Luc Picard im 24. Jahrhundert. Allerdings ist es kein entfernter Kontinent, keine fremde Zivilisation – diese Welt ist verborgen in der, die wir bereits kannten. Ein Mitreisender in dieser Welt, Albert Espinosa, nannte sie die „Gelbe Welt“. Wir nennen sie „das Tumorland“.

Denn im August 2016 wurde mir eine veritable Metastase entfernt, und mit ihr gleich ein kompletter Wirbel. Das hat unser Leben auf den Kopf gestellt.

Dabei kannte ich eine Tumoroperation bereits aus dem Vorjahr. Der Unterschied: Damals gingen wir davon aus, dass ich geheilt sein würde. Nach einer fünfmonatigen Auszeit kehrte ich dann ziemlich nahtlos zurück in mein früheres Leben.

Das ist heute anders. Doch was hat sich verändert? Zu Beginn dieses Blogs sind wir etwa ein halbes Jahr in diesem Land unterwegs, und wir wissen es immer noch nicht. Manches fühlt sich völlig neu an, anderes ist bekannt, manches Bekannte neu und manches Neue bekannt.

Wir

Wenn ich sage: „Wir“, dann heißt das: Ute, meine Frau, und ich. Gemeinsam sind wir 30 Jahre durchs Leben gegangen, gemeinsam auch mit drei wunderbaren Kindern. Wir begleiten uns und stützen uns, und wir sind uns in den letzten Monaten womöglich noch näher gekommen als zuvor. Ich liebe sie.

Ihr könnt davon ausgehen, dass sie alle Beiträge auf diesem Blog gelesen und gebilligt hat.

Und dann gehören zum „Wir“ auch die tollen Freunde, die mehr denn je an unserer Seite gestanden haben. Und die vielen Menschen um uns herum, in der Kirche, im Stadtteil Niendorf und darüber hinaus. Das Wort „Gemeinde“ hat für uns noch einmal einen ganz neuen Klang bekommen. Und besonders der Gemeinde, in der ich seit über 25 Jahren Pastor bin.

Meine Themen

Ich höre gerne Musik. Leonard Cohen und John Lee Hooker, Khatchaturian und Ennio Morricone, Joe Cocker und Rhiannon Giddens, Mozart und Tom Waits, Santiano und Achim Reichel und vieles mehr. Manches finde ich einfach nur schön, anderes berührt mich. Darüber würde ich gerne schreiben.

Ich lese gern. In den letzten Jahren eher Artikel als Bücher. Die Themen Spiritualität und Kirche liegen nahe. Und obwohl ich nun ein halbes Jahrhundert mit dem Glauben unterwegs bin, stehe ich immer noch und immer wieder am Anfang. Mich interessiert auch sehr, wie wir in dieser wunder- und furchtbaren Welt gut und immer besser zusammenleben können – und was wir dazu beitragen können.

Ich bin gerne Pastor. Ich mag Menschen, die Begegnungen, die Themen, die so unterschiedlich sind. Und das große Thema: Gott. Das Geheimnis des Lebens. Geborgenheit und Abgrund. Jesus, das Licht. Das gebrochene Licht.

Gebrochenes Licht

„Licht“, so lese ich hier, „ist ein Phänomen, das wir in der Natur vielfältig beobachten können. Eine Definition des Begriffs erscheint genauso schwierig wie eine Definition vom Begriff Farbe, weil Licht in seinem Wesen nicht wie eine materielle Substanz fassbar ist. Licht wird durch den Filter des Auges und dem Gehirn wahrgenommen. Besonders gut nehmen wir es jedoch wahr, wenn Licht in Verbindung mit Schatten auftritt. Licht und Schatten wurde von vielen Malern zur Darstellung von besonderen Stimmungen und Situationen eingesetzt. Das Licht als Symbol für den Gegensatz zur Finsternis steht meist in Verbindung mit einer Erleuchtung oder einer neuen Erkenntnis.“ Das Licht, ein Bild für Gott?

„Ich bin das Licht der Welt“, sagt Jesus von sich (Joh. 8,12) – doch er wurde gebrochen und starb am Kreuz mit den Worten „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“.

„Ihr seid das Licht der Welt“, sagt Jesus von seinen Jüngern (Mt. 5,14) – doch die Wirklichkeit sieht mindestens differenzierter aus.

„Der Herr ist mein Licht und mein Heil“, heißt es in Psalm 27,1. Aber Leonard Cohen singt und betet: „You want it darker … If you are the dealer, I´m out oft the game. If you are the healer, then mine must be the shame.“ Meiner Erfahrung entsprechen beide Gebete.

Farben sehen wir erst, wenn das Licht gebrochen wird. Und: „There is a crack in everything, That’s how the light gets in.” Leonard Cohen, Anthem