Aus aktuellem Anlass

Es ist nicht alles gut. Aber wir freuen uns auch, wenn es besser kommt als gedacht. Und das ist gerade der Fall.

Vor gut anderthalb Wochen, am Montag, bin ich am Kopf operiert worden. Und am Sonnabend konnte ich schon wieder entlassen werden; der Heilungsprozess kam gut voran. Und dafür sind wir sehr dankbar.

Inzwischen haben wir auch eine Reihe von Gesprächen über das weitere therapeutische Vorgehen führen und Entscheidungen treffen können. Von Anfang an war klar, dass der Kopf nachbestrahlt werden muss, um eine größere Sicherheit zu haben, dass dort nicht so schnell etwas nachwächst. Wobei uns bewusst ist, dass wir immer mit der Unsicherheit leben müssen.

Leider hat ja die Immuntherapie nicht so gewirkt, wie wir es uns gewünscht haben. Zumindest die Läsionen in der Leiste sind offensichtlich Metastasen. Dafür ist man sich bei den Auffälligkeiten in der Lunge nicht so sicher. Die können auch, wie Frau Petersen meinte, „Zellschrott“ sein und ihre Ursache in früheren Bestrahlungen haben.

Das weitere Standardvorgehen wäre jetzt eine Chemo mit eventuellen begleitenden Bestrahlungen gewesen. Das war auch der Stand der Beratungen vor der OP. Im Lauf der Gespräche aber haben wir dieses Vorgehen zunehmend in Frage gestellt. Momentan sehen wir nur die beiden Leisten-Metastasen. Solche Probleme haben wir bisher auch gut mit Bestrahlungen in den Griff bekommen.

Also haben wir uns nach mehreren Gesprächen dafür entschieden, erst einmal auf  eine Chemo zu verzichten. Alles andere wird beobachtet. Irgendwann Anfang nächsten Jahres schauen wir wieder nach und sehen, ob sich der Krebs verändert hat. Wir hoffen natürlich, dass er dann zurückgegangen ist. Wenn nicht, werden wir nach alternativen Therapien Ausschau halten.

Bestrahlungen haben meinen Körper zwar auch in unterschiedlicher Weise belastet. Das war aber kein Vergleich zu einer Chemo. Und deshalb freuen wir uns – die Aussichten für die nächsten Monate sind viel besser als erwartet. Weihnachten kann kommen.

Die nächste Herausforderung

Vor einer Woche bekamen wir die Diagnose: Hirntumor. Seitdem haben wir den Eindruck, eine weitere Dimension dieser Krankheit zu erleben. Wir merken es daran, dass es uns diesmal noch viel schwerer fällt zu begreifen. Uns aus den kreisenden Gedanken zu befreien, nach vorne zu schauen.

Vorgestern bekamen wir das Ergebnis des MRT. Und ja, es zeigt sich ein Tumor von beeindruckender Größe, irgendwo hinten im Kopf, wo die rechten Sehnerven ihr Zuhause haben. Jetzt weiß ich, warum ich manchmal nachfasse, wenn ich den Kühlschrank öffnen will. Und manchmal finde ich erst nach längerem Suchen den Ort, an dem sich das „k“ auf der Tastatur befindet. Das ist sehr lästig, besonders wenn ich längere Texte schreiben möchte.

Die gute Nachricht lautet: Dieser Tumor ist offensichtlich noch Single und gut abgrenzbar. Das heißt: Wenn er erst einmal entfernt ist und dann noch bestrahlt wird, kann man hoffen, dass er Ruhe gibt. Das ist zumindest unsere Perspektive.

Heute ist erst einmal ein Gespräch mit den Neurochirurgen dran, eine OP folgt dann voraussichtlich am Montag, und danach widmen wir uns den Problemen in Lunge und Leiste. Um eine Chemo kommen wir wohl nicht herum, vielleicht mit unterstützender Bestrahlung. Das alles bedeutet, dass der Gottesdienst am Sonntag ohne mich stattfinden muss.

Trotzdem sind wir heute schon wieder optimistischer als in der Woche davor. Frau Petersen hat uns – wieder einmal – vermittelt, dass wir die Situation in den Griff bekommen. Natürlich wissen wir, wie gefährlich das Ganze ist, und dass der Tumor jederzeit wiederkommen kann. Aber sie meint: Das muss ja nicht sein. Jetzt operieren wir erst einmal alles weg, den Rest bestrahlen wir, und dann jagen wir die Chemo drüber. War beim letzten Mal im Prinzip ja auch erfolgreich. Im Rücken geht der Krebs zurück, und in den Zehen ist gleich gar nichts mehr zu sehen. Das macht Hoffnung.

Zugegeben, das alles ist mega anstrengend. Aber es ist unser Leben, das einzige, das wir haben. Und es ist auch von einer tiefen Schönheit. Sie scheint durch die Gespräche und Umarmungen, durch den Austausch von Gedanken und Ideen, durch die letzten goldenen Blätter vor unserem Haus. Durch die beiden gemeinsamen Abende mit Rasmus und der Dollar-Trilogie. Mit Freunden habe ich gestritten, ob Friedrich Merz ein Glücksfall oder eine Katastrophe ist. Während ich in dieser Frage noch unentschieden bin, ist mir eines ganz klar: Dass ich diesen Weg mit Ute gehen kann, ist der Glücksfall überhaupt. Doch, dieses Leben ist nicht nur das einzige, sondern auch das schönste, das wir haben. Christoph Schlingensief hat recht:  „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein“.

Das war nicht gut

Natürlich gibt es jede Menge Lichtblicke auf der Welt. Nur um uns scheinen sie gerade einen Bogen zu machen. Oder ist es so, dass sie da sind – und wir haben gerade keinen Sinn für sie?

Heute erfuhren wir die Ergebnisse des letzten PET/CT. Und es waren wieder keine guten Nachrichten, gar keine guten. In der Leiste waren erneut Metastasen zu sehen. Beide Lungenflügel sind befallen. Das Schlimmste aber: Nun habe ich auch einen Hirntumor. Beziehungsweise gleich mehrere.

Natürlich wissen wir noch nicht genau, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dass die Immuntherapie nun wieder von einer Chemo abgelöst wird, scheint ziemlich klar zu sein. Wahrscheinlich ist eine Bestrahlung, vielleicht sogar eine Kopf-OP.

Das alles macht uns Angst. Mehr noch als bisher.

Neben diesen Nachrichten gab es allerdings auch eine positive: Die Metastasen im Rücken sind rückläufig. Und das bedeutet auch: Alle Behandlungen waren bisher erfolgreich. Ob das tatsächlich ein Hoffnungsschimmer ist?

Der Weg, der vor uns liegt, mutet uns steil an, allzu steil. Wir werden ihn gehen. Er ist noch nicht zu Ende.

Lichtblick zwischendurch

Jeden Freitag veröffentlichen wir unseren „Lichtblick der Woche“. Ein- oder zweimal mussten wir ihn ausfallen lassen, weil uns nicht danach zumute war. Heute ist es umgekehrt.

Vor anderthalb Wochen endeten die Bestrahlungen an Rücken und Fuß. Ob sie erfolgreich waren, werden wir in anderthalb Wochen wissen; dann liegt das Ergebnis der PET-CT vor. Bis dahin wird unser Adrenalinspiegel eigenen Gesetzen gehorchen. Und das heißt: Wir wissen nicht genau, wie es uns am kommenden Freitag geht.

Heute aber stehen wir noch ganz unter dem Eindruck der letzten Tage. Wir haben unsere Freunde in Kitzingen besucht. Ich kenne Johannes jetzt 42 Jahre, und wir haben viel Sinniges und Unsinniges gemeinsam gemacht. Aber so dicht wie jetzt war unsere Freundschaft wohl noch nie. Und das Beste: Es ist eine Freundschaft, die mittlerweile auch unsere Frauen einschließt. Es war ein tolles langes Wochenende. Und die Mutter von Johannes, fast 90 Jahre alt, ließ uns grüßen und wünschte uns von Herzen „Gott befohlen“. Und so, wie sie es sagte, ging uns das sehr nahe.

Und heute bin ich wieder zur Immuntherapie im UKE gewesen, wie immer mit Sprechstunde. Und Marcus Hezel, der Arzt, war tiefenentspannt. Die „Läsionen“ auf der Haut, die mich beunruhigten, fand er gar nicht spannend. Und vor allem, meinte er, hätte er so ein Gefühl, dass die Immuntherapie anschlagen würde. Nicht immer würde dieses Gefühl stimmen, aber oft genug. Und als ich ihm andeutete, dass ich nicht wüsste, ob ich meinen nächsten Geburtstag noch erleben würde, war er der Meinung, dass meine Perspektiven viel weiter gespannt seien. Und wir hätten noch viele aussichtsreiche Therapie-Pfeile im Köcher.

Er hat mir viel Mut und gute Laune gemacht. Ein echter Lichtblick. Nicht nur heute.

So steht’s mit uns

Es sind wieder besondere Wochen. Zwei OPs so kurz hintereinander zehren an den Kräften. Aber sie sind ganz gut gelaufen, so dass wir schon an die nächsten Schritte denken können.

Die werde ich allerdings in den nächsten Tagen eher buchstäblich auf Krücken gehen können. Aber es geht voraussichtlich Montag schon gleich weiter mit der Immuntherapie und im Laufe der nächsten Woche mit den Bestrahlungen im Rücken und jetzt auch im Fuß. Die werden dann drei Wochen dauern.

Die Strahlenexpertin meinte, dass wir dann erst nach Weihnachten wieder unterm PET/CT prüfen, wie sich der Tumor bewegt. Das heißt: Wenn nichts Besonderes passiert, könnten wir bis dahin erst einmal Ruhe haben.

Medizinisch gesehen können Bestrahlung und Chemo den Krebs nur aufhalten – und wie schnell er wachsen kann oder wiederkommt, haben wir ja gesehen. Aber wir setzen auch immer noch Hoffnung in die Immuntherapie. Sie hat bisher zwar nicht angeschlagen. Aber es gibt durchaus Fälle, in denen die Bestrahlungen helfen, das Immunsystem wach zu küssen.

Vor allem aber möchten wir die Zeit nutzen: Sonntag in einer Woche ist Predigtzeit, die Bingen-Blogs warten auf Komplettierung, weitere Ideen sind auf dem Weg. Außerdem habe ich es schon viel zu lange aufgeschoben, mit dem einen oder der anderen von Euch auf unserer Terrasse zu sitzen. Das werden wir angehen, wenn ich mich ein wenig erholt habe. Und es ist gut, dass wir – nicht zuletzt über diesen Blog – mit Euch verbunden sind.

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Bild: Blick aus einem der Fenster der Station H9 – Blick Richtung Südwesten © Erik Thiesen

Aus aktuellem Anlass

Liebe Familie, liebe Freunde und Freundinnen,

gerne hätten wir Euch heute Entwarnung gegeben. Das können wir leider aber nur teilweise.

Das Gute zuerst: Die OP ist erfolgreich und nach Plan gelaufen. Die Metastase ist, soweit sie sichtbar war, entfernt worden und das Rückenmark entlastet. Jetzt müssen wir warten, bis alles verheilt ist. Dann können wir über eine Anschlussbehandlung reden. Das werden dann voraussichtlich wieder Bestrahlungen sein. Bis dahin muss ich erstmal auf die Beine kommen.

Nun haben wir aber unter dem Fuß eine weitere Stelle gesehen, die wir nicht einschätzen können. Unsere Erfahrungen mit solchen Entdeckungen waren bisher keine guten. Aber ohne genauere Untersuchungen wollen sich die Ärzte natürlich nicht festlegen lassen.

Das bedeutet für uns: Wir bewegen uns wieder über schwankendes Land. Eine solche Situation ist noch einmal in besonderer Weise belastend. Wir werden natürlich berichten, wenn wir Genaueres wissen.

Eure Nachrichten, Euer Mitdenken und Eure Gebete haben uns sehr gut getan. Wir danken Euch allen für Euren Beistand.

Aus aktuellem Anlass

Die Gespräche der letzten Tage haben zu einer Entscheidung geführt: Wir werden wieder bestrahlen. Das ist zwar, wie schon geschrieben, nicht ungefährlich. Aber die Strahlenexpertin Prof. Petersen ist – wie immer – zuversichtlich, dass wir es schaffen.

Ob und wann die Metastasen das Rückenmark angreifen, mochte kein Arzt, keine Ärztin sagen. Alles kann, nichts muss: Die einen deuteten an, dass ich in wenigen Wochen, zumindest aber demnächst unweigerlich im Rollstuhl sitzen würde. Frau Petersen dagegen brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass die Metastasen das Rückenmark verschmähen könnten. Zumindest habe ich erst einmal damit aufgehört, unsere Wohnung im Geiste rollstuhlgerecht umzubauen.

In der Sprechstunde konnten wir auf hohem Niveau Möglichkeiten und Alternativen zur Immuntherapie diskutieren. Und „wir“ waren diesmal nicht so sehr Ute und ich. Wir hatten das doppelte Glück, das unser Freund Arno als Molekularbiologe nicht nur vom Fach ist, sondern uns auch gestern begleitet hat. Er hat sich mit Prof. Binder ausgetauscht, die sich offensichtlich ausgezeichnet auskannte. Sie erzählte von sinnvollen und sinnlosen Versuchen, den Therapieerfolg zu vergrößern. Und auch wenn die Statistik nach wie vor gegen uns spricht – es gibt noch Möglichkeiten.

Danke, Arno, deine Begleitung hat uns viel bedeutet, persönlich und fachlich-sachlich.

Eine Bronchoskopie in der vergangenen Woche bestätigte, dass die Strahlenpneumonitis in meiner Lunge zwar einen großen Teil des linken Flügels lahm gelegt hat und meine Atemnot daher sehr verständlich ist, dass das Narbengewebe aber kein Karzinom, sondern „Zellschrott“ sei. Solche Nachrichten werten wir schon als Erfolg.

 

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Beitragsbild: TomoTherapie-Gerät, von ASL Reggio Emilia – Servizio Sanitario Regionale Emilia Romagna – Azienda Ospedaliera di Reggio Emilia – Arcispedale di Santa Maria Nuova – http://www.asmn.re.it/Mediagallery.jsp?idGalleria=22&idFilmato=106, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4941984

Lichtblick. Aus aktuellem Anlass

Wir haben länger überlegt, ob wir überhaupt einen Lichtblick schreiben können. Denn die letzten Gespräche im UKE waren nicht sehr ermutigend. Aber vielleicht passt deshalb gerade die Ermutigung, die uns Waltraud in der vergangenen Woche zukommen ließ: storch.jpgGib niemals auf.

Wie schon vor einer Woche angedeutet, waren die Ergebnisse der letzten Untersuchung nicht gut: In der Lunge gibt es unklare Befunde. Vor allem aber haben sich die Metastasen in der Wirbelsäule vergrößert und bedrohen das Rückenmark. Das heißt: Die Immuntherapie hat bisher nicht angeschlagen.

Deshalb diskutieren wir jetzt schon riskante Behandlungsmethoden: Bestrahlung oder OP, die aber auch fürs Rückenmark gefährlich werden können. Insofern trifft es das Bild ganz gut: Den Frosch hat es schon ziemlich schlimm erwischt. Wird er die Kraft behalten, den Hals zuzudrücken?

Mit der Immuntherapie machen wir erst einmal weiter. Es wird nun viel darauf ankommen, dass die Immunzellen in meinem Körper doch noch aufwachen. In seltenen Fällen hat man es schon beobachtet, dass sie durch eine Bestrahlung angeregt werden. Jetzt wäre ich gerne mal wieder ein solcher seltener Fall.

Und dann sind da noch die Herrnhuter Losungen. Heute mit einem Wort aus 5. Mose 23,6: „Der Herr, dein Gott, wandelte dir den Fluch in Segen um, weil dich der Herr, dein Gott, lieb hatte.“ (5. Mose 23,6) Wir würden es gerne glauben. Und wir zweifeln. Weil wir es erlebt haben, wie es genau umgekehrt kam: Aus Segen wurde Fluch.

Leonard Cohen singt: „I’ve seen you change the water into wine. I’ve seen you change it back to water, too.“ (Treaty) Auch wir kennen die Wunder – in beide Richtungen. Wir möchten gerne an die der ersten Kategorie glauben können.