Ich muss einer der ersten gewesen sein. Ehe die zuständigen Stellen es regeln konnten mit Arbeitsvertrag, Krankenkasse und Beihilfe, Gehalt und anderen Formalitäten, war die Zeit schon fast wieder zu Ende. Ich hatte mich nämlich entschlossen, Erziehungsurlaub zu nehmen. Für ein Jahr. Heute nennt man es Elternzeit.
Zugegeben, anfangs war ich mir nicht ganz sicher, was ich davon halten sollte. Natürlich war ich der Meinung, dass Männer und Frauen prinzipiell gleichberechtigt sind und beide das gleiche Recht auf Berufstätigkeit haben. Aber es war Ute, die dieses Thema vor Maj-Britts Geburt auf die Tagesordnung brachte. Und im Nachhinein kann ich sagen: Das war gut so.
In der Gemeinde stieß meine Ankündigung auf keinen Widerstand. Konnte es auch nicht, denn der Erziehungsurlaub stand mir zu. Seitens des Kirchenkreises machte man mir allerdings klar, dass ich, sollte ich länger als ein Jahr wegbleiben, zwar weiterhin Anspruch auf eine Pfarrstelle hatte, aber nicht unbedingt in Niendorf. Wir entschieden uns also spontan für ein Jahr – denn zwei Umzüge und eine neue Gemeinde, das stand nicht dafür.
Wie sehr diese Gemeinde hinter meinem Plan stand, habe ich nie wirklich herausgefunden. Ich hatte aber das Gefühl, dass die Zustimmung und das Verständnis nicht ungeteilt waren. Sei’s drum.
Ich würde es immer wieder machen. Es hat Spaß gemacht, ein ganz neues Zeitgefühl vermittelt, und ich begegnete anderen Eltern auf einer Ebene, die ich vorher nicht gekannt hatte. Damals begann es, dass ich Gemeindeglieder duzte – heute ist das schon fast normal geworden.
Aber zunächst einmal war es für mich sehr überraschend, dass man vom Nichtstun so fertig sein kann. Das bisschen Haushalt war ja nun wirklich zu schaffen – zumal Ute weiterhin das Bügeln übernahm, nachdem sie mich einmal dabei gesehen hatte. Rasmus war vormittags im Kindergarten. Und auch beim Essenmachen und Putzen waren wir eher entspannt.
Es waren die Kinder. Nicht dass ich ständig mit ihnen gespielt oder dass sie ständig geschrien hätten. Aber sie hätten es jederzeit tun können. Kinder zu haben, das bedeutet: Immer mit einer gewissen Aufmerksamkeit auf sie zu achten: Wo sind sie? Sind sie in Gefahr? Stellen sie gerade etwas an?
Mein Respekt vor den Müttern wuchs enorm – und es waren ja fast nur Mütter, die ich im Kindergarten traf.
In dieser Zeit bekam ich auch ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit – die ich vorher ja nie hatte. Nachdem ich Rasmus zum Kindergarten gebracht hatte, habe ich oft noch spontan mit Britta oder Ingo oder irgendjemandem einen Kaffee getrunken. Den Einkauf habe ich dann einfach auf den Nachmittag verschoben. Die Gespräche aber waren immer von besonderer Art. Maj-Britt war ja immer mit dabei und forderte einen Teil meiner Aufmerksamkeit. Und manchmal musste ich auch auf Rasmus aufpassen – und der konnte schon laufen. Ich erinnere mich gut an meine mittelschwere Panik, als er sich einmal auf dem Tibarg selbstständig gemacht hatte.

Oldtimer-Gelenkbus
Wahrscheinlich habe ich auch nie mehr gebastelt als zu jener Zeit. Es ist zwar nicht mein Hobby, und meine Geschicklichkeit bewegt sich auch in engeren Grenzen. Aber was soll man machen, wenn der eigene Sohn so auf Gelenkbusse steht und Siku damals noch kein entsprechendes Modell auf dem Markt hatte? Dieser Oldtimer hätte es wohl nicht bis zur Serienreife geschafft. Aber immerhin hatte es, was für Rasmus damals das Wichtigste war: Türen, die man öffnen und schließen konnte. Und es war auf zwei der wichtigsten Strecken Hamburgs einsetzbar: Der Linie 281 und, durch Drehen der Anzeigetafel, der Linie 5 (nicht im Bild) nach Niendorf Markt.
Und dann die Wochenenden. Von Freitagnachmittag, wenn Ute von der Arbeit kam, bis zum Sonntagabend Familienzeit! Durchgehend! Und ohne schlechtes Gewissen. Das haben wir erst wieder in der letzten Zeit so erlebt.
Andererseits merkten wir auch deutlich den Gehaltsunterschied. Wir durchforsteten unsere regelmäßigen Ausgaben – u.a. bestellten wir das Hamburger Abendblatt ab – und lebten trotzdem noch von der Substanz. Wie machten es nur die, die vergleichbar oder noch weniger verdienten?
Es war insgesamt ein gutes Jahr, und ich würde es immer wieder so machen. Es hat uns beiden gut getan. Wir wussten aber von Anfang an, dass es auch gut war, wenn ich wieder in die Gemeinde einstieg und Ute sich mehr um die Familie kümmerte.
Der Wiedereinstieg war nicht einfach. Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich das Gefühl hatte, an die Zeit vorher anzuknüpfen. Andererseits habe ich heute durchaus mehr Verständnis für die Mütter und jetzt auch immer mehr Väter, die sich den Kindern widmen.
Vor allem aber habe ich zu meinen Kindern ein besonderes Verhältnis gewonnen. Und auch für unsere Partnerschaft war dieses Jahr ein Gewinn. Ich möchte es auf keinen Fall missen.
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Dieser Bus rührt mich sehr! Er hat es vielleicht nicht zur Serienreife geschafft, aber Liebe gibt es eben nicht ‚in Serie‘. Hier hat sich Liebe materialisiert, und das wärmt auch die nicht direkt betroffenen Herzen. 🙂
Danke dafür!
Dass das Elternjahr für die Beziehungen innerhalb der Familie gut war, glaub‘ ich sofort.
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