Heute in Zeiten des Theologenmangels ist es kaum mehr vorstellbar: In den Achtzigerjahren gab es zu viele von uns. Zu viele zumindest, als dass wir alle nach dem Examen direkt das Vikariat antreten konnten. Deshalb suchte ich freiwillig nach einer vorübergehenden Alternative und fand sie beim Nordelbischen Gemeindedienst.
Kennengelernt hatte ich diese Einrichtung im Studium, als „Freizeithelfer“ an der Ost- oder Nordsee. Heute heißt es „Kirche am Urlaubsort“ – die Inhalte sind aber offenbar über die Jahrzehnte gleich geblieben: Ein Team von Jugendlichen bietet, selbständig und in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde vor Ort, ein buntes Programm für die Urlauberinnen und Urlauber an: Nachtwanderungen und Gesprächsabende, Basteln für Kinder und Erwachsene und Familiengottesdienste, wir organisierten Straßenfeste und Discos – und vor allem erzählten wir an jedem Abend die beliebte Gute-Nacht-Geschichte.
Während eines Sommers war ich auf dem Priwall in Travemünde, dann mehrmals in Wenningstedt auf Sylt. Hier lernte ich Seemannsknoten, die ich inzwischen wieder vergessen habe. Wir pressten Buttons mit unserem Logo und anderen Motiven, vertieften uns in die Geschichten vor Ort: von Pidder Lyng („Lewer düad üs Slaw“, lieber tot als Sklave) und dem sagenhaft reichen Rungholt, vom Pharisäer und Nis Puk.
Wir waren kreativ und machten, was uns Spaß machte. Und der Erfolg gab uns recht. Nicht selten hörten wir: Wenn so Kirche auch bei uns zuhause sein könnte… Das könnte sie natürlich nicht. Kirche im Urlaub ist immer anders als die Alltagskirche am Heimatort. Die Menschen sind ganz anders bereit, neue Erfahrungen zu machen, auch spirituelle. Sie haben Zeit. Und wir konnten das Personal und die Zeit zur Verfügung stellen, die Gemeinden vor Ort selten in dieser Weise haben.
Und doch. Diese Einsätze haben mich begeistert. Sie haben eine Vorstellung geweckt, wie Kirche auch sein kann: Unkonventionell und lebendig, offen und attraktiv für Familien und Senioren, Erwachsene und Jugendliche.
Und genauso interessant waren die Gespräche im Team, das damals vor allem aus Studentinnen und Studenten der Sozialpädagogik und der Theologie zusammengesetzt war. Wie religiös darf’s denn sein? Reicht es, ein wenig Spaß zu haben? Wann überfordern wir die Menschen – wann überfordern wir uns?
Der Einsatz als Freizeithelfer dauerte sechs Wochen. Später habe ich dann selbst Einsätze auf den Campingplätzen geleitet. Das Team bestand aus Ehrenamtlichen, manchmal ganzen Familien, die ihren Urlaub dafür einsetzten. Dafür dauerte dann das Ganze „nur“ drei Wochen, war aber genauso spannend und nannte sich „Kirche unterwegs„, und die gibt es auch bis heute.
Freizeithelfer und Kirche unterwegs waren damals im Bereich „Freizeit und Erholung“ zusammengefasst, einem Arbeitszweig eben jenes „Nordelbischen Gemeindedienstes“, den ich nach meinem Examen aufsuchte. Und der Leiter Dr. Otto Diehn hatte tatsächlich einen Job für mich. Allerdings nicht in der Sommerkirche…
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Die rote Sonne zeigt das damalige Logo des Gemeindedienstes.
Diese frühen Erfahrungen haben Ihre spätere Arbeit aufs Schönste „eingefärbt“ – ein Segen für die Gottesdienstbesucher, die aus dem Alltag heraus sonntags in ihre Kirche kamen, um Trost oder eine andere geistige Berührung zu erfahren.
Danke dafür!
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