Ein Bild für die Ewigkeit

Eine Szene im Weltraum. Rechts sehe ich einen großen Planeten, links darunter einen kleinen. Auf diesem kleinen steht ein Harlekin, angelehnt an den großen, die Hände in den Hosentaschen, den Blick nach unten. Langsam schaut er mich an, lächelnd und fröhlich. Da erscheint hinter ihm eine Hand, der Finger schnippst ihn an. Mit großer Geschwindigkeit fährt der Harlekin um den großen Planeten herum und schießt in den Weltraum, begleitet von den Schlussakkorden der Titelmelodie von „StarTrek – Raumschiff Voyager“.

Diesen Traum träumte ich, während ich nach der letzten OP aus der Narkose erwachte. Es war ein fröhlicher, ein heiterer Traum. Der Harlekin deutet schon darauf hin. Und die Voyager? Wir schauen gerade die ganze Serie der StarTrek – Saga. Das prägt, bis ins künstliche Koma hinein.

Vor allem aber ist es die Aussage, die mich fasziniert. Die Serie „Voyager“ hat zwar kein eigenes gesprochenes Intro. Die Mission ist aber die gleiche wie die der Vorgänger – Raumschiffe: „…um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Die Enterprise dringt in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

Ich glaube, dass unsere Vorstellungen vom Jenseits von unserer Persönlichkeit und unseren Erfahrungen in diesem Leben geprägt sind. Wer einen starken Gerechtigkeitssinn hat, wird darauf Wert legen, dass die Sünder bestraft werden. Menschen mit einem geringeren Selbstwertgefühl möchten, dass Gott sie bedingungslos liebt. Solche mit einem Sinn fürs Schöne oder die, die eine besonders hässliche Welt erlebt haben, erfreuen sich an der Musik des Engelorchesters.

Ich füge diesen Vorstellungen noch eine Variante hinzu. Ich halte es für möglich, dass uns auf der anderen Seite eine neue Aufgabe erwartet. Eine neue Challenge. Die dann aber hoffentlich netter ist als der Krebs, den wir hier gerade erleben.

Ich bin neugierig, wie die Mannschaften bei StarTrek. Wie es aber genau sein wird, wenn es überhaupt sein wird, das werden wir erst herausfinden, wenn wir dort angekommen sind. Und das kann ruhig noch ein wenig warten.

Ganz schön gut: Das Star-Trek-Universum

Sternzeit 1513,1. Der Weltraum, unendliche Weiten. Das Raumschiff NCC-1701 „Enterprise“ fliegt zum ersten Mal mit seiner 400 Mann starken Besatzung durch den Orbit. Ich bekomme davon nichts mit, denn erstens feiere ich gerade meinen 9. Geburtstag, zweitens hätte ich die Serie wahrscheinlich nicht sehen dürfen, und drittens kommt sie ohnehin erst Jahre später ins deutsche Fernsehen.

So richtig tauche ich dann mit Ute in das Star-Trek-Universum ein; wir mögen es beide. Die zweite Serie, „The Next Generation“, mit Captain Jean-Luc Picard noch mehr als die klassischen Folgen mit Captain Kirk. „Deep Space 9“ (Captain Sisko) finden wir etwas schwergängig, die „Voyager“ (Captain Janeway) nimmt dann wieder Fahrt auf, während das Prequel „Raumschiff Enterprise“ (Captain Archer) bei uns durchfällt. Insgesamt aber ist unser Urteil klar: Star Trek gehört zu den besten Serien ever.

Dabei darf ich sie eigentlich gar nicht so gut finden. Denn sie beruht auf einer soliden atheistischen Weltanschauung, zumindest die Folgen mit Kirk und Picard. Denn der Schöpfer von Star Trek, Gene Roddenberry, bekannte sich zu einem „rationalen Humanismus“. Er war der Überzeugung, dass „Menschen fähig sind, ihre Probleme rational zu lösen und dass die Menschheit durch kritisches Denken und gemeinsame Bemühungen vorankommen und sich entwickeln wird“. Und so ist – in seinem Universum – die Erde nach einer Reihe verheerender Kriege zu einem friedlichen Ort geworden und hat sich mit anderen Planeten zu einer „Föderation“ zusammengeschlossen. Ihre Mitglieder sind gleichwertig, es gibt keinen Neid, keine Kriege, keine Habsucht mehr. Geld ist im Prinzip abgeschafft. Was man braucht, kann ein „Replikator“ herstellen. Die Zeit vertreibt man sich auf dem „Holodeck“. Zwar ist der Tod noch nicht besiegt, aber die Medizin sehr weit fortgeschritten – man braucht noch nicht einmal mehr Spritzen… Der Erfinder der Serie „Star Trek“ hat eine Utopie erschaffen, eine ideale Welt. Eine Welt, in der Religionen nicht mehr benötigt werden.

Auf anderen Planeten werden durchaus – noch – Götter angebetet. Sie werden dann von der Enterprise-Besatzung als Menschen einer höheren Zivilisationsstufe enttarnt wie in „Der Tempel des Apoll“. Oder sie sind von einer früheren Zivilisation zurückgelassene Computer, die von der noch besseren Technik der Enterprise besiegt werden, wie in der Episode „Die Stunde der Erkenntnis“. In „Der Gott der Mintakaner“ wird Captain Picard selbst für einen Gott gehalten. Er aber will die Mintakaner von ihrem Irrglauben befreien und sie lehren, selbst zu denken und zu handeln.

Die Botschaft ist die der Aufklärung: sapere aude – wage, dich deines Verstandes zu bedienen (I. Kant). Es klingt wie Luther, der auf dem Reichstag in Worms seine Thesen nicht widerrufen wollte, „wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich“. Er war allerdings der Meinung, dass man aus der Bibel zweifelsfrei den Willen Gottes erkennen könne.

Nach meiner Erfahrung aber lesen die Menschen die Bibel immer mit einem eigenen Schlüssel – der manchmal, aber nicht immer, durchaus aus der Bibel stammen kann. Für Luther war es sein Verständnis von der „Gerechtigkeit Gottes“ (Römer 1, 17), das bis in seine Bibelübersetzung hin wirksam wurde. Ich denke da eher an 1. Timotheus 2, 4: Gott will, dass allen Menschen geholfen werde.

Und so fühle ich mich Roddenberry in mancher Hinsicht näher als Luther: In seinem Misstrauen gegenüber denjenigen, die sich in ihrer Meinung auf einen Gott berufen – vor allem dann, wenn sie sich von anderen abgrenzen und meinen, etwas Besseres zu sein. Ich teile auch seine Vision von einer Welt, in der die Menschen gleichberechtigt sind, sich gegenseitig helfen statt sich Leid zuzufügen, und in der Kriege und Hunger ausgerottet sind. Es sind für mich sehr christliche Ziele.

Ich teile allerdings nicht seinen Optimismus, dass wir allein durch rationales Denken diese Welt errichten werden. Rational lässt sich der Terror eines Robespierre, Stalin oder bin Laden genauso begründen wie der Pazifismus eines M.L. King oder Gandhi. Und selbst wenn wir uns alle auf den kategorischen Imperativ I. Kants berufen würden („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“) – in konkreten Fragen wie z.B. dem Asylgesetz würden wir zu unterschiedlichen, vielleicht sogar gegensätzlichen Positionen kommen.

Eine Welt, wie sie sich Roddenberry erdacht hat, „setzt einen ehrenwerten, humanistischen Geist ihrer Mitglieder voraus“, schreibt Henrik Hansemann über Star Trek. Und ob das gelingt, „muss stark bezweifelt werden“. Die „Föderation der Vereinten Planeten“ bleibt eine Utopie.

Damit wir dieser Utopie aber wenigstens näher kommen, müssen wir daran arbeiten – nicht nur alleine, sondern auch mit anderen zusammen. Und genau das ist der eigentliche Sinn von Kirchen und Religionsgemeinschaften: Dass wir uns organisieren, um gemeinsam für das Gute zu wirken. Wie das gehen kann, haben wir an vielen Stellen in der Flüchtlingsarbeit beobachten können.

Allerdings machen Religionen nur Sinn, wenn sie sich wirklich am Menschen orientieren und nicht an Dogmen. Wenn wir unsere Fähigkeiten und unseren Verstand dafür einsetzen, dass wir uns verständigen und gegenseitig helfen.

Und mit dieser Vision bin ich nach meinem Eindruck dann wieder ganz nahe an der von Jean-Luc Picard – und ich weiß, warum ich diese Serie liebe.