Nachdenken über den Heiligen Geist

Nachdenken über…In dieser kleinen Serie über Gott, Jesus und den Heiligen Geist versuche ich zusammenzufassen, was mir in den letzten Jahren wichtig geworden ist. Es ist sozusagen ein persönliches Glaubensbekenntnis und nimmt den Gedanken von „Christentum to go“ wieder auf.

Die Entscheidung, am 17. Februar den Gottesdienst zu halten, obwohl gesundheitlich alles dagegen sprach, war kein bewusstes Abwägen. Ich nahm zwar wahr, wie es um mich stand, aber das spielte keine Rolle. Irgendetwas in mir hatte den Beschluss schon gefasst. Als Ute davon einer Freundin erzählte, meinte die spontan: Das war der Heilige Geist.

Der Heilige Geist. Er ist schwer zu fassen und weht eben, wo er will, wie Jesus sagt. Und je nachdem, wen man fragt, scheint er auch an ganz unterschiedlichen Orten aufzutauchen und ganz verschiedene Eigenschaften zu haben. Die Charismatiker identifizieren ihn zum Beispiel überall dort, wo bei christlichen Menschen übernatürliche Gaben festgestellt werden können: Wunderheilungen, Exorzismen, unverständliches Reden zum Beispiel. In der Feministischen Theologie wird er gendergerecht oft die Heilige Geistkraft genannt. Das weibliche Element darf schließlich auch in der Trinität nicht fehlen, und schließlich ist die hebräische Grundbedeutung רוּחַ auch weiblich. Die Vorstellung, wie oder wer der Heilige Geist sei, hat eben viel mit der Gottesvorstellung zu tun.

Durch den Heiligen Geist wird die Botschaft Jesu heute konkret. Und für mich ist die wichtigste Eigenschaft dieses Geistes, dass er der Tröster ist. „Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit“, sagt Jesus (Johannes 14,16). Wir haben in den letzten Jahren unendlich viele tröstende Worte bekommen. Sie berührten unser Herz, sie richteten uns auf, sie waren ohne Zweifel geistgesättigt.

Bei Ignatius spielt der Trost eine zentrale Rolle. Wenn ich Gott liebe – und das heißt für mich: wenn ich das Leben liebe -, wenn Glaube, Liebe und Hoffnung in mir wachsen, wenn ich innerlich ruhig werde und ausgeglichen, dann sind es deutliche Zeichen: Hier wirkt der gute Geist.

„Die Liebe zum Leben“, schreibt Fulbert Steffensky, „bringt Feuer und Wasser zusammen: die harten Fakten und die gerupfte, aber nicht erschlagene Hoffnung. Die Liebe zum Leben lässt sich nicht durch falsche Stimmigkeit betören. Sie wird nicht zynisch und sie bleibt nicht blind.“ 

In diesem Satz klingen zentrale Elemente meines Glaubens an. Zunächst einmal das Hohelied der Liebe: Die Liebe „erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand … Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.“ (1. Korinther 13,7) Und das Bild von Feuer und Wasser erinnert mich an das Wasser der Taufe, das Jesus mit dem Geist in Verbindung gebracht hat („Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen,“ sagt er in Johannes 3,5) und das Feuer von Pfingsten (Apostelgeschichte 2). An dem Tag werden die Jüngerinnen und Jünger be-geistert (eine beliebte kirchliche Schreibweise).

Der Neurobiologe Gerald Hüther betont, dass Begeisterung die Voraussetzung von Lernen ist und eine Umgebung benötigt, in der wir mit anderen Menschen verbunden sind und persönlich wachsen können. Das klingt nach einer Gemeinde, in der der Geist das Sagen hat.

Die Gaben des Geistes sind die „Charismen“, die Gnadengaben. „Charisma“ ist eine Ableitung von „Charis“, der Gnade (grch. χάρις, lat. gratia). Wir verstehen darunter vor allem ein Geschenk, das ein Mächtiger einem Schuldigen macht: Der Erlass der Strafe – in der Theologie die Folgen der Sünden, in der Justiz die der Schuld. Im Prinzip aber bleibt der Schuldige schuldig und abhängig und der Mächtige mächtig.

Ursprünglich aber hat die Charis nichts mit dem Recht zu tun, sondern mit der Ästhetik. Es bedeutete Schönheit oder, mit einem schon fast vergessenen Wort, Anmut – eine Qualität, die Navid Kermani gerade unter Protestanten so schmerzlich vermisst. Später wandelte sich die Bedeutung auch zur Wohltat. Auch das hebräische Chanan (חנן)   wandelt sich in seiner Bedeutung – nur in entgegengesetzter Richtung von Wohltat zu Schönheit. Ist der gnädige Gott vielleicht eher ein schöner Gott? Und was ändert sich, wenn wir statt „Die Gnade Gottes sei mit dir“ sagen: „Die Schönheit Gottes sei mit dir“? Für mich hat sich mit dieser Vorstellung eine völlig neue Glaubenswelt aufgetan.

Und ich erinnerte mich an einen meiner Lieblingssätze: „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein“ (Christoph Schlingensief). Dieses Wort hat ihm der Heilige Geist gegeben.