Einmal wurde Jesus von einem Schriftgelehrten gefragt: „Meister, was ist das größte Gebot?“ Da antwortete er: „‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt lieben‘. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22,35-40)
Es liegt mir fern, den Meister in Frage zu stellen. Ich möchte ihn aber gerne ergänzen: „Ein drittes aber ist ihnen gleich…“, und dem Doppelgebot der Liebe Micha 6,8 zur Seite stellen.
Jahrzehntelang fand ich diesen Vers allerdings nur mittelmäßig. Denn ich las ihn in der Übersetzung Martin Luthers: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Der Herr fordert, sein Wort zu halten und demütig zu sein – das ist ein extrem autoritärer Glaube, der mir schlicht nicht liegt.
Dann las ich vor ein paar Jahren in der Evangelischen Zeitung in einem Artikel über den Zen-Buddhisten Hinnerk Polenski: „Nach Polenski beschreibt ein Wort des alttestamentlichen Propheten Micha präzise den Weg des Zen und sei eine Brücke zum Christentum: ‚Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht: Nichts anderes als Gerechtigkeit üben, Freundlichkeit lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.'“ Weiterlesen