Aus aktuellem Anlass

Die Ärztinnen und Ärzte gehen davon aus, dass sich am kleinen Zeh eine neue Metastase gebildet hat. Diese Nachricht müssen wir erst einmal buchstäblich unter die Füße kriegen, zumal genau dort ja vor wenigen Monaten erst bestrahlt worden ist. Nach mehreren Gesprächen haben wir uns jetzt im Prinzip dafür entschieden, so weiterzumachen wie bisher: Bis Jahresende werden Kopf und Leiste bestrahlt, dann fahren wir erst einmal mit der Familie nach Dänemark, und danach wird dann der Zeh operiert, ein PET/CT gemacht. Das wird dann über die weiteren Schritte entscheiden. Alles andere als eine Chemo wäre dann schon eine Überraschung. Und wir geben tatsächlich die Hoffnung nicht auf, dass uns dieser Krebs einmal positiv überrascht.

Obwohl er es uns ganz schön schwer macht. Manchmal gehen wir einen steilen Weg, und die Aussichten sind eher trübe – aber das ja schon seit zweieinhalb Jahren. Die Bestrahlungen und die OP können einzelne Herde bekämpfen. Mit der Chemo verbinden wir schon eher die Hoffnung auf eine Flurbereinigung, die ein wenig nachhaltiger ist. Und die Experten meinen, dass sie noch den einen oder anderen Pfeil im Köcher haben. Man wird sehen, wie wirksam der dann ist.

Viel wichtiger ist es für uns, aufs Jetzt zu schauen. In der Weihnachtsnacht möchte ich gerne mit Daniel Birkner den Gottesdienst halten – wir haben über den Bibeltext (1. Timotheus 3,16) schon interessante Diskussionen geführt. Wer auch etwas dazu sagen will, kann sich noch bei „Zwischen Himmel und Erde“ anmelden. Und im Januar möchte ich am 20. (nicht am 6., wie im Präsent angekündigt!) wieder auf die Kanzel.

Und wir denken an Albert Espinosa, der geschrieben hat: „Und wir entschieden, dass 3% (Überlebenswahrscheinlichkeit) eigentlich gar nicht so wenig sind.“ 

Und an Giovanni Maio: „Hoffnung ist ein Offensein für das, was kommen wird, und ein Vertrauen darauf, es bewältigen zu können.“ Diese Hoffnung haben wir noch nicht verloren.

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Beitragsbild: Ein steiler Weg. PxHere, gemeinfrei.

Lichtblick der Woche

Vlet2Confierte Gänsekeule mit Langpfefferjus, Kartoffelkloß, Apfelrotkohl und eingemachter Quitte sowie lackierter Island Steinbeißer, Spinatkruste, Zitronenkaviar, Senfespuma, Bratkartoffelpüree und gegrillter Butterlauch – das sind, die Bilder haben es schon angedeutet, zwei Gerichte von der Speisekarte des Vlet in der Speicherstadt. Deshalb heißt das zweite auch „Pannfisch Vlet-Style“. Und beide haben wir am letzten Dienstag sehr genossen. Vervollständigt wurde das Menü durch einen Sherry und einen Aperol Spritz vorweg sowie einen Rot- und einen Weißwein dazu. Vlet1

Wir haben damit einen Gutschein eingelöst, den ich Ute schon im letzten Jahr zu Weihnachten geschenkt habe. Und weil mein Geschmackssinn durch die Chemo ordentlich durchgeschüttelt worden war, hat es so lange gedauert.

Es war gleichzeitig die würdige Feier unseres 29. Hochzeitstages. Natürlich ist uns auch aufgefallen, dass 29 eine etwas krumme Zahl ist. Deswegen haben wir uns fest vorgenommen, auch die nächste gerade zu feiern, also unseren 50.

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Beitragsbild: Restaurant Vlet am Brooksfleet in Hamburg, by qwesy qwesy, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=55297962

 

Aus aktuellem Anlass

Es ist nicht alles gut. Aber wir freuen uns auch, wenn es besser kommt als gedacht. Und das ist gerade der Fall.

Vor gut anderthalb Wochen, am Montag, bin ich am Kopf operiert worden. Und am Sonnabend konnte ich schon wieder entlassen werden; der Heilungsprozess kam gut voran. Und dafür sind wir sehr dankbar.

Inzwischen haben wir auch eine Reihe von Gesprächen über das weitere therapeutische Vorgehen führen und Entscheidungen treffen können. Von Anfang an war klar, dass der Kopf nachbestrahlt werden muss, um eine größere Sicherheit zu haben, dass dort nicht so schnell etwas nachwächst. Wobei uns bewusst ist, dass wir immer mit der Unsicherheit leben müssen.

Leider hat ja die Immuntherapie nicht so gewirkt, wie wir es uns gewünscht haben. Zumindest die Läsionen in der Leiste sind offensichtlich Metastasen. Dafür ist man sich bei den Auffälligkeiten in der Lunge nicht so sicher. Die können auch, wie Frau Petersen meinte, „Zellschrott“ sein und ihre Ursache in früheren Bestrahlungen haben.

Das weitere Standardvorgehen wäre jetzt eine Chemo mit eventuellen begleitenden Bestrahlungen gewesen. Das war auch der Stand der Beratungen vor der OP. Im Lauf der Gespräche aber haben wir dieses Vorgehen zunehmend in Frage gestellt. Momentan sehen wir nur die beiden Leisten-Metastasen. Solche Probleme haben wir bisher auch gut mit Bestrahlungen in den Griff bekommen.

Also haben wir uns nach mehreren Gesprächen dafür entschieden, erst einmal auf  eine Chemo zu verzichten. Alles andere wird beobachtet. Irgendwann Anfang nächsten Jahres schauen wir wieder nach und sehen, ob sich der Krebs verändert hat. Wir hoffen natürlich, dass er dann zurückgegangen ist. Wenn nicht, werden wir nach alternativen Therapien Ausschau halten.

Bestrahlungen haben meinen Körper zwar auch in unterschiedlicher Weise belastet. Das war aber kein Vergleich zu einer Chemo. Und deshalb freuen wir uns – die Aussichten für die nächsten Monate sind viel besser als erwartet. Weihnachten kann kommen.

Die nächste Herausforderung

Vor einer Woche bekamen wir die Diagnose: Hirntumor. Seitdem haben wir den Eindruck, eine weitere Dimension dieser Krankheit zu erleben. Wir merken es daran, dass es uns diesmal noch viel schwerer fällt zu begreifen. Uns aus den kreisenden Gedanken zu befreien, nach vorne zu schauen.

Vorgestern bekamen wir das Ergebnis des MRT. Und ja, es zeigt sich ein Tumor von beeindruckender Größe, irgendwo hinten im Kopf, wo die rechten Sehnerven ihr Zuhause haben. Jetzt weiß ich, warum ich manchmal nachfasse, wenn ich den Kühlschrank öffnen will. Und manchmal finde ich erst nach längerem Suchen den Ort, an dem sich das „k“ auf der Tastatur befindet. Das ist sehr lästig, besonders wenn ich längere Texte schreiben möchte.

Die gute Nachricht lautet: Dieser Tumor ist offensichtlich noch Single und gut abgrenzbar. Das heißt: Wenn er erst einmal entfernt ist und dann noch bestrahlt wird, kann man hoffen, dass er Ruhe gibt. Das ist zumindest unsere Perspektive.

Heute ist erst einmal ein Gespräch mit den Neurochirurgen dran, eine OP folgt dann voraussichtlich am Montag, und danach widmen wir uns den Problemen in Lunge und Leiste. Um eine Chemo kommen wir wohl nicht herum, vielleicht mit unterstützender Bestrahlung. Das alles bedeutet, dass der Gottesdienst am Sonntag ohne mich stattfinden muss.

Trotzdem sind wir heute schon wieder optimistischer als in der Woche davor. Frau Petersen hat uns – wieder einmal – vermittelt, dass wir die Situation in den Griff bekommen. Natürlich wissen wir, wie gefährlich das Ganze ist, und dass der Tumor jederzeit wiederkommen kann. Aber sie meint: Das muss ja nicht sein. Jetzt operieren wir erst einmal alles weg, den Rest bestrahlen wir, und dann jagen wir die Chemo drüber. War beim letzten Mal im Prinzip ja auch erfolgreich. Im Rücken geht der Krebs zurück, und in den Zehen ist gleich gar nichts mehr zu sehen. Das macht Hoffnung.

Zugegeben, das alles ist mega anstrengend. Aber es ist unser Leben, das einzige, das wir haben. Und es ist auch von einer tiefen Schönheit. Sie scheint durch die Gespräche und Umarmungen, durch den Austausch von Gedanken und Ideen, durch die letzten goldenen Blätter vor unserem Haus. Durch die beiden gemeinsamen Abende mit Rasmus und der Dollar-Trilogie. Mit Freunden habe ich gestritten, ob Friedrich Merz ein Glücksfall oder eine Katastrophe ist. Während ich in dieser Frage noch unentschieden bin, ist mir eines ganz klar: Dass ich diesen Weg mit Ute gehen kann, ist der Glücksfall überhaupt. Doch, dieses Leben ist nicht nur das einzige, sondern auch das schönste, das wir haben. Christoph Schlingensief hat recht:  „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein“.

Aus aktuellem Anlass, mal wieder

Liebe Freundinnen und Freunde, Wegbegleitende auf diesem Blog und im Leben,

wir danken Euch für alles, was Ihr für uns tut. Und das ist wirklich viel. Wir spüren, wie nahe Ihr uns seid, und das tut uns unendlich gut. Es ist ein Privileg, diesen Weg mit Euch zu gehen.

Und es stimmt auch, dass uns dieser Weg momentan besonders schwer fällt. Der Tumor im Hirn hat noch einmal eine ganz neue Dimension hineingebracht. Einmal ist medizinisch eine Barriere gefallen, wie wir gelernt haben: Die Blut-Hirn-Schranke, die eigentlich die lebenswichtigen Organe oberhalb des Halses schützen soll. Dass der Tumor dieses Hindernis genommen hat, ist kein gutes Zeichen. Zum anderen aber ist es auch psychisch eine Belastung. Was ist, wenn der Geist nachlässt, seine Spannkraft verliert und schließlich der Austausch nicht mehr möglich ist? Daran mögen wir gar nicht denken.

Die Erfahrungen mit der ersten Chemo haben gezeigt: Das wird ein harter Weg. Außerdem ist mein Körper durch die letzten Therapien sehr geschwächt. Wenn ich daran denke, was auf uns zukommt, werden mir die Knie weich.

Aber es ist noch nicht das Ende des Weges. Bisher hat sich der Tumor zwar ungewöhnlich rasant ausgebreitet und kommt auch in schneller Abfolge immer wieder, an immer neuen Stellen. Doch er hat auch auf fast alle Therapien reagiert. Wir können zwar keine Prognosen für die Zukunft abgeben, dieser Umstand aber macht doch Hoffnung. Was auch immer die Ärzte empfehlen – wir werden die neue Therapie angehen.

Und nicht nur das. In einer Woche steht wieder ein Gottesdienst an. Manchmal denke ich: Das nicht jetzt auch noch. Das wird mir jetzt doch ein bisschen viel. Und dann wieder: Jetzt erst recht. Soll ich mir vom Krebs etwa mein ganzes Leben bestimmen lassen? Und dann kann es natürlich auch sein, dass die Ärzte umgehend eine OP ansetzen. Wie dieser Konflikt ausgeht, werdet Ihr erfahren – spätestens hier auf dem Blog.

Und ist es ein Zufall, dass ausgerechnet am kommenden Sonntag Hiob 14 auf dem Plan steht? Einer der deprimierendsten Texte der Bibel: „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht…“ Da will es aber einer wissen.

Aber eins nach dem andern: Ab morgen werden wir erst einmal wieder Gespräche führen, in Untersuchungen gehen und die Therapie gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten entwickeln und entscheiden. Und es tut gut zu wissen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.

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Beitragsbild: Edvard Munch, Der Schrei – WebMuseum at ibiblioPage: http://www.ibiblio.org/wm/paint/auth/munch/image.  https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37610298

Das war nicht gut

Natürlich gibt es jede Menge Lichtblicke auf der Welt. Nur um uns scheinen sie gerade einen Bogen zu machen. Oder ist es so, dass sie da sind – und wir haben gerade keinen Sinn für sie?

Heute erfuhren wir die Ergebnisse des letzten PET/CT. Und es waren wieder keine guten Nachrichten, gar keine guten. In der Leiste waren erneut Metastasen zu sehen. Beide Lungenflügel sind befallen. Das Schlimmste aber: Nun habe ich auch einen Hirntumor. Beziehungsweise gleich mehrere.

Natürlich wissen wir noch nicht genau, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dass die Immuntherapie nun wieder von einer Chemo abgelöst wird, scheint ziemlich klar zu sein. Wahrscheinlich ist eine Bestrahlung, vielleicht sogar eine Kopf-OP.

Das alles macht uns Angst. Mehr noch als bisher.

Neben diesen Nachrichten gab es allerdings auch eine positive: Die Metastasen im Rücken sind rückläufig. Und das bedeutet auch: Alle Behandlungen waren bisher erfolgreich. Ob das tatsächlich ein Hoffnungsschimmer ist?

Der Weg, der vor uns liegt, mutet uns steil an, allzu steil. Wir werden ihn gehen. Er ist noch nicht zu Ende.

Aus aktuellem Anlass

Drei Metastasen – die eine hatte sich vor drei Monaten schon angekündigt – und einen auffälligen Lymphknoten hat das PET/CT vom letzten Montag gezeigt. Das heißt, dass sich die Hoffnungen auf einen halbwegs ruhigen Sommer zerschlagen haben. Voraussichtlich müssen die Exerzitien mit anschließendem Urlaub ein weiteres Mal verschoben werden.

Wie es genau weitergeht, werden wir am kommenden Montag mit den Ärzten beraten. Natürlich wissen wir, dass noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Aber sie werden mit der Zeit auch nicht besser.

Momentan haben wir genug damit zu tun, mit der Situation klar zu kommen. Wir hatten sehr gehofft, dass wir nach der erfolgreichen Chemo für zwei, vielleicht sogar für zwanzig Jahre Ruhe hätten. Es hat noch nicht einmal für zwei Monate gereicht.

Ute meint, dass wir uns vom Krebs auch jetzt nicht unterkriegen lassen. Gut, dass wir nicht alleine sind.

 

Aus aktuellem Anlass

Die gute Nachricht gestern war: Wir können wohl nach Borkum fahren, und den Gottesdienst am 25. März kann ich auch halten.

Die andere Nachricht: Das PET/CT-Leuchten am 5. Brustwirbel ist „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ eine Metastase. Und sie sitzt so nahe am Rückenmark, dass eine Bestrahlung außerordentlich kompliziert wird, wenn sie denn überhaupt möglich ist. Weiterlesen

Aus aktuellem Anlass

Es bleibt dabei: Die „Läsionen“, die vor der Chemo aufgetaucht waren, sind alle nicht mehr zu sehen. Alle! Und das ist sowohl hervorragend als auch sehr ungewöhnlich.

Es hat sich aber auch bestätigt: Die Aktivität, die das PET/CT im Rücken sichtbar gemacht hat, ist wohl auf eine Metastase zurückzuführen. Und sie ist stärker geworden. Oder anders: Weil sie stärker geworden ist, geht der Radiologe, der die Studie betreut, von einer Metastase aus.

Und das bedeutet voraussichtlich und wenn es der Rücken mitmacht: Wieder Bestrahlung. Mit allen Nebenwirkungen. Weiterlesen

Die Chemo, ein Rückblick

Es hat sich gelohnt. -100%. Das bestmögliche Ergebnis. Und das ist sehr gut.

Aber der Weg dorthin war steil. Vor der Chemo sagte eine Freundin: „Es gibt auch gute Tage.“ Eigentlich hoffte ich, dass es umgekehrt sein würde: Nicht gute Tage zwischen all den schlechten, sondern auch mal schwierige Tage zwischen vielen guten. Aber die Freundin sollte Recht behalten.

Die Nebenwirkungen von Cisplatin, Doxetacel und Cetuximab sind heftig, besonders wenn alles zusammen verabreicht wird. Zwar verhinderten andere Medikamente, dass ich mich übergeben musste, wie es früher bei Chemo üblich war. Aber oft war mir einfach unwohl, der Appetit sehr eingeschränkt, und fast alles hat irgendwie metallisch geschmeckt. Deshalb habe ich auch Zusatznahrung bekommen.

Die Haut wurde trocken und bekam Ausschlag, die Haut an Händen und Füßen bekam Risse, die Haare fielen aus, ich friere leichter und bin extrem kurzatmig. Besonders unangenehm aber war die körperliche Schwäche. In der Regel musste ich mich nach den Infusionen am Montag erst einmal hinlegen. Und oft kam ich erst am Donnerstag oder Freitag wieder auf die Beine.

Diese Schwäche und die Infektionsgefahr führten auch dazu, dass ich persönliche Kontakte stark einschränken musste. Und konnte ich vorher die 7 km um den See am Bayernweg locker bewältigen, reichte es in den letzten Wochen manchmal nur um die Hinschwiese vor unserer Haustür. Trotzdem – wenn es irgendwie möglich war, sind wir spazieren gegangen.

Und so gab es auch Lichtblicke in dieser Zeit: Die Gottesdienste, die ich halten konnte, die Unterstützung so vieler Menschen, dieser Blog – und vor allem der Zusammenhalt in der Familie. Die Kinder sind nach wie vor wunderbar. Und Ute stand mir die ganze Zeit zur Seite – obwohl es für sie auch nicht einfach war, wie sie selbst beschreibt:

Und was bedeutete die Chemo für mich?

Es hat sich bestätigt, was ich schon bei der Begleitung und dem Sterben meiner Mutter gemerkt hatte: Ich bin nicht gut im Aushalten.

Ich bin gut im Erledigen: Dreimal am Tag zur Apotheke, Shuttle-Dienste, einkaufen, kochen, Wohnung aufklaren, arbeiten – das sind Dinge, die ja auch wichtig sind und im Hintergrund laufen müssen. Das Wesentliche aber ist: „Aushalten“. Aushalten und Warten. Morgens ins UKE zur Infusion fahren, weiter zur Arbeit, auf die Nachricht warten, ob die Blutwerte so gut sind, dass die Infusion gegeben werden kann, warten auf die Nachricht, dass Erik abgeholt werden kann (nach fünf oder auch nach elf Stunden, man weiß es nie so genau), warten, wie es ihm wohl geht, warten, welche Auswirkungen die Infusion diesmal hat. Und die Erfahrung der Chemo-Wochen hat gezeigt: Das einzig Berechenbare ist die Unberechenbarkeit. Das muss man: aushalten. Aushalten, dass der Liebste schwach und kraftlos ist, dass die Haare büschelweise auf dem Fußboden, im Bett und im Badezimmer liegen, dass die Haut heftig reagiert und nicht nur Flecken, sondern auch schmerzhafte Risse bekommt, dass manchmal selbst die Kraft für ein Gespräch oder eine Serie unseres Streamingdienstes fehlt – von Spaziergängen, und sei es nur um die Hinschwiese, ganz zu schweigen. Aushalten, dass nachts heftige Schmerzen auftreten und man nicht weiß – Notaufnahme ja oder nein? Aushalten, dass liebevoll zubereitete Mahlzeiten (ohnehin nicht mein Hobby…) nicht oder fast nicht gegessen werden (können) oder zumindest nicht schmecken, aushalten, dass keine gemeinsamen Unternehmungen mehr möglich sind. Das ist schwer. Und daneben die Angst: Hilft es? Hat die ganze Quälerei den erhofften Erfolg?

Und: Für sich selbst sorgen, möglichst ohne schlechtes Gewissen. Auch nicht einfach. Arbeiten. Zum Sport gehen. Leute treffen. Oder auch nicht, je nachdem. Sich vergraben. Auch mal heulen.

Und das hat auch geholfen: Stunden, in denen es fast „normal“ war. Gemeinsame Spirizeit, in der wir manchmal eine Kerze nur für uns angezündet haben. Unser fester Vorsatz, das gemeinsam zu schaffen. Hoffnungsgeschichten. Aber auch: Endlose Spaziergänge um die Alster, immer wieder. Oft alleine und oft auch mit Inga (wunderbare Tochter!).  Freundinnen, die sich immer wieder gemeldet haben, und die auch ausgehalten haben, wenn ich nicht reden und mich nicht verabreden wollte. Und über unsere großartige Familie und unser Netz haben wir ja schon oft geschrieben. Es hält und trägt mehr denn je. Und jetzt dieses Ergebnis!

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Weil’s so schön war…