Lichtblick der Woche

Schon seit Jahren lesen wir, mehr oder weniger regelmäßig, den „Anderen Advent„. Am 5. Dezember fanden wir dort einen wunderbaren Text von Fulbert Steffensky über die Hoffnung.

Die Frage nach der Hoffnung, meint er, werde heute viel gestellt. Aber man möchte gerne hoffen, bevor man etwas tut. Wenn etwas eine gute Aussicht auf Erfolg hat, dann springt man gerne auf den Zug und trägt seinen Teil zum guten Ausgang bei. Doch er meint: „Hoffen lernt man auch dadurch, dass man handelt“ – und dabei die Statistiken und Voraussagen nicht so ernst nimmt. Denn wir wissen, was Statistiken bedeuten: Allenfalls Anhaltspunkte für Entscheidungen. Im wirklichen Leben kommt es anders, mal besser, mal auch nicht so gut. Die Hoffnung schaut auf die erste Möglichkeit, denn „sie ist eine wundervolle untreue Buchhalterin, die die Bilanzen fälscht und einen guten Ausgang des Lebens behauptet, wo dieser noch nicht abzusehen ist.“

Schon im Studium, als mir die Hoffnung einmal abhanden gekommen war, hatte ich vermutet, dass Paulus nicht ganz recht hatte, als er meinte: Glaube, Hoffnung, Liebe – die Liebe aber ist die größte unter ihnen. Denn ohne Liebe und ohne Glaube kann ich vielleicht eine Zeitlang leben, ohne Hoffnung wird es schwer. Auch Steffensky meint:

Hoffnung „ist vielleicht die stärkste der Tugenden, weil in ihr die Liebe wohnt, die nichts aufgibt, und der Glaube, der den Tag schon in der Morgenröte sieht.“

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Die Zitate stammen aus einem unveröffentlichten Manuskript eines Vortrags, den Fulbert Steffensky am 8. Juli 2017 im Theater Lübeck/Junges Studio gehalten hat. Daraus hat „Der Andere Advent“ einen Abschnitt abgedruckt.

6 Gedanken zu “Lichtblick der Woche

  1. Veronika Hansberg schreibt:

    Schön. Hoffnung ist eben auch etwas ganz anderes als Optimismus. Es geht nicht immer darum, dass es gut ausgeht (was ist schon gut?), sondern dass es Sinn hat, egal wie es ausgeht. Dieser Gedanke ist von Vaclav Havel passt auch ganz gut dazu. Ich für meinenTeil würde sagen, dass Hoffnung eben die Möglichkeit einräumt, etwas gut werden zu lassen, was außerhalb meiner eigenen Kontrolle liegt. Eine Kraft, die nicht schon immer die Niederlage vorwegnimmt. Deshalb kann ich – als bekennender Paulus-Fan- doch auch dem Gedanken viel abgewinnen, dass die Hoffnung die „stärkste der Tugenden“ ist, wie Steffensky es sagt. Für dieses Leben eben.
    Ein wunderbarer Text von Fulbert Steffensky.
    Einen schönen zweiten Advent, liebe Ute und lieber Erik!

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  2. Ralf Liedtke schreibt:

    Ein wirklich beeindruckender Text, das finde ich auch. Besonders fasziniert hat mich die Abgrenzung von Glaube und Hoffnung. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich auf jetzigem Stand der menschlichen Erkenntnis nicht mehr, dass die Menschheit und viele Lebewesen auf der Erde noch zu bewahren oder zu retten sind. Dazu bräuchten wir ein sofortiges radikales Umschwenken auf dem gesamten Planeten mit Folgen, die wir uns eigentlich gar nicht vorstellen können.

    Im Text heißt es aber auch: „Vielleicht heißt Hoffung gar nicht der Glaube an den guten Ausgang der Welt und an die Vermeidung ihrer Zerstörung. Es garantiert uns keiner, dass das Leben auf der Erde in absehbarer Zeit nicht kollarbiert, auch kein Regenbogen. Aber wir können tun, als hofften wir,“

    Und insofern kann jeder von uns auf seine Art und Weise handeln, statt in tiefe Agonie zu fallen. Und bloßer Aktionismus ist für mich die andere Seite der Medaille, die auch nicht helfen wird. da die gesamte Materie zu komplex und in sich widersprüchlich ist – wie wir alle als Menschen und jeder für sich auch.

    Also bleibt das Prinzip Hoffnung, ich denke hier an Ernst Bloch,selbst wenn am Horizont kaum Licht erscheint und der Weg so schwierig und mühsam ist.

    Euch allen einen schönen 2. Abend und lasst uns hoffen und handeln!

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  3. Veronika Hansberg schreibt:

    Übrigens: Ich glaube, Paulus hatte trotzdem recht. Aber er spricht nicht von diesem Leben und nicht von dieser Welt. Das ist der Punkt. Es ist – so nehme ich es an- von Gottes Reich und vom neuen Leben die Rede, dann wenn wir die Hoffnung nicht mehr brauchen, weil es einfach da ist. Und wenn auch der Glaube nicht mehr groß sein muss, weil wir wissen und sehen. Dann ist es die Liebe, die bleibt und groß ist. Dann, noch nicht jetzt. Jetzt eben Hoffnung (interessant, dass Steffensky sie als „Tugend“ bezeichnet). Und die hilft ja (neben dem Schlaf und dem Lachen) bekanntermaßen gegen die Mühseligkeiten des Lebens.

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  4. Jutta Seeland schreibt:

    Was für ein wunderschöner Satz, dieser letzte in Deinem Blogbeitrag von Steffensky! Herzwärmend – für mich!
    Ich sinniere gerade über den Unterschied zwischen Optimismus und Hoffnung.
    Ich erinnere mich, dass meine Mutter – schon, als ich noch ein Vorschulkind war – von mir sagte, ich sei von einem nicht umzubringenden Optimismus. Dieser ist mir durch alle Wechselfälle meines Lebens treu geblieben. Wenn ich in mich reinhöre, ist das immer eine Mischung von Hoffnung und Glaube gewesen – jenseits aller ‚vernünftigen Erwartung‘. Und wenn dann, was natürlich vorkam, das Leben doch eine andere Melodie spielte, als die von mir gewünschte, habe ich meist den – zugegeben etwas holprigen – Weg zu der Einsicht gefunden: „Wer weiß, wozu es gut ist!?“ Und wenn mir auch das nicht gelang, so ist mir doch in dunklen Stunden, in denen ich keinen Weg, auch keinen holprigen, mehr finden konnte immer (in der hintersten Kammer meines widerspenstigen Hirns) die Hoffnung geblieben, sozusagen als ‚ultima ratio‘ – und zwar ganz ohne ‚ratio‘! Und diese letzte Bastion meiner Seele werde ich immer verteidigen – gegen alle Angriffe des Verstandes, weil ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen mag.
    Hoffnung ist für mich eine unfassbar starke Kraft, die sich speist aus lauter kleinen Krümeln des Guten, die immer um mich sind, auch wenn ich sie nicht gleich sehe. Hoffnung macht mich sozusagen sehend, dass „da doch noch was geht“… Zugegeben, klingt irrational. Funktioniert aber. Nicht nur bei mir.
    In diesem Sinne wünsche ich allen Niendorfer Thiesens einen schönen 2. Advent und bedanke mich für diesen schönen Blogeintrag!

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  5. menuchaprojekt schreibt:

    Das erste Zitat von Fulbert Steffensky mit der Verbindung von Hoffnung und Handeln erinnert mich an ein Lied von Gerhard Schöne (Der Laden), wo er hinter der Theke einen Engel trifft, der Samen verkauft und nicht Früchte.

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