Lichtblick der Woche

„Ce qui te manque,
Cherche-le dans ce que tu as.“
Koan Zen

yin-yangSuche das, was dir fehlt, in dem, was du hast.

Diese Weisheit aus dem Koan Zen schickte uns Waltraud aus dem Urlaub. Und sie meinte dazu: „Hier im Süden, in der Sonne, im Licht ist es wohl einfacher.“ Das dachten wir uns auch, als wir im Oktober den Urlaub auf Teneriffa buchten. Am kommenden Donnerstag hätte es losgehen sollen.

Aber wäre es wirklich so viel einfacher gewesen? Natürlich hätte eine bessere Diagnose vieles einfacher gemacht. Aber wenn ich genauer frage: Was ist denn, was mir wirklich fehlt – ist es dann ein Urlaub auf den Kanaren?

Wenn ich genauer frage, dann lautet die Antwort: Du bist, die mir fehlt. Und für andere: Du bist, der mir fehlt. Und dann könnte es weitergehen mit der Erkenntnis: Du bist ja da.

3 Gedanken zu “Lichtblick der Woche

  1. Ute Klingwort-Finster schreibt:

    Ein Koan: eine nach unserem (westlichen, aufgeklärten, dualistischen) Verständnis eigentlich unsinnige, widersprüchliche Aufgabe.
    Was für ein schönes Beispiel dafür! „Suche das, was dir fehlt, in dem, was du hast.“

    In Wahrheit hast du alles, weil du eine Einheit bist. Du hast alles, was du brauchst; sonst könntest du nicht leben.

    Wer hat, will immer mehr haben.
    „Haben oder Sein“ (Erich Fromm) hatte eine gesellschaftskritische Intention, geht aber vielleicht in eine ähnliche Richtung. Statt am Besitz sollten wir uns am Erleben (Sein) orientieren. Nicht ansammeln, sondern leben.

    Wir haben einander. Was brauchen wir mehr? So reden Verliebte.

    Klug, alles sehr klug. Aber was euch fehlt, ist ja höchst offensichtlich, nämlich die Gesundheit, und die wünsche ich dir, lieber Erik, so sehr.

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  2. Friedhelm Berg schreibt:

    Das schöne an einem Koan: jeder kann es nach seinem Gusto auslegen, seinen Sinn darin finden. Die obige Interpretation finde ich in sich stimmig. Trotzdem hier mein Versuch einer etwas anderen Deutung.

    Du bist 90 Jahre und vermisst deine Kindheit…
    Du bist arm, 65 Jahr mit kleiner Rente und suchst Reichtum
    Du bist singel, und vermisst einen Partner…
    Du bis unheilbar krank und suchst Gesundheit….

    Du suchst das, was dir fehlt, ind dem, was du hast. Wie soll das gehen?

    Mit den „materiellen“ Wünschen verbinden wir immer ein Gefühl. Z. B. Freiheit, Spontanität, Ungebundenheit, Glück, usw. Keiner möchte Millionär werden, wenn er damit Depression und Einsamkeit verbinden würde. Es sind letzlich immer gute Gefühle, die wir mit dem Erreichen unserer Wünsche verbinden. Das Gefühl, das alle guten Gefühle beinhaltet, nennen wir Erfüllung, Zufriedenheit oder (innerern) Frieden. Und dafür – da gebe ich Ute recht – man hat alles, was man braucht, nämlich das Leben, und in der Erfahrung unseres Lebens finden wir unseren Frieden.

    Deswegen steht (angeblich?) in der Bibel: das Königreich des Himmels ist in dir, oder, wie Sokrates es ausdrückte: erkenne dich selbst oder wie andere Heilige das sagten: Das, was du suchst, ist in dir! – letzteres finde ich, ist der Koan in Kurzform!

    Ich war in der Krankenpflege tätig und habe Menschen beim Sterben begleitet. Für mich steht außer Frage: wenn jemand seinen Frieden gefunden hat, dann „fehlt“ im gar nichts…
    Wenn ich auf den Grabsteinen lese, „Er ruht in Frieden“, dann denke ich, ja, wird sicherlich stimmen, wenn er diese Erfahrung schon zu Lebzeiten gefunden hat….

    Damit kein Missverständnis aufkommt. Im Englischen las ich neulich „for prosperity or to be prosperous you need wealth, health and peace.“ Für das Wohlergehen braucht es ein ausreichendes Einkommen, Gesundheit und Frieden. Aber der Koan bezieht sich – meine ich – nicht auf das „bloße“ Wohlergehen, sondern auf das existenzielle Sein des Menschen.

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  3. gebrocheneslicht schreibt:

    Lieber Friedhelm,
    das sind gute Gedanken. Um zu mir selbst zu finden, muss ich ja erst einmal auf mich achten, meinen Ort suchen und finden.
    Ich mache dann die Erfahrung, dass dieser Ort dann wieder Bewegung ist: Ich bin ganz bei mir, stelle mich dann aber auch wieder in Frage, gehe weiter, werde angestoßen.
    „Und er bzw. starb alt und lebenssatt und wurde versammelt zu den Vorfahren“, heißt es von den Alten in der Bibel. Das war auch immer mein Bild von einem erfüllten Leben und Sterben und ist es immer noch. Ein zweites aber wird stärker: Wenn es geht, möchte ich – bildlich gesprochen – nicht in den Puschen sterben, sondern in den Stiefeln: In einem intensiven Gespräch, beim Spaziergang, beim Schreiben, meinetwegen mitten in einem Gedanken. Denn wir werden nie fertig.
    Wenn es aber so sein soll, dass ich immer weniger werde, dann möchte ich auch das annehmen können. Ich merke sowieso, dass es für mich zurzeit wenig Sinn macht, über den Tag hinaus zu denken. Wie Leonard Cohen singt: „Steer your way – year by year, month by month, day by day, thought by thougt.“

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