Exerzitien 26. Teil, Bingen 2018, die „dritte Woche“.
Die Passionsgeschichte Jesu, wie ich sie mir während der Exerzitien vorgestellt habe, setzt sich fort. Jesus ist gerade in Jerusalem eingezogen.
Einige der Umstehenden standen noch ein wenig herum und redeten über das Ereignis. Dann verliefen sie sich auch, wie die anderen. Die Tore wurden wieder geöffnet, und wir gingen in die Stadt. Nach einiger Zeit fanden wir Jesus wieder, natürlich im Tempel. Er hatte sich gerade abwechselnd mit den Priestern und den Pharisäern in den Haaren. Später mischte er noch die Händler im äußeren Tempelbezirk auf und hatte es sich so wirklich mit allen verdorben: der Politik, der Religion und der Wirtschaft. Irgendwie konsequent.
Und ein Wunder, dass wir da trotzdem alle heil herauskamen. Abends fanden wir uns tatsächlich vollzählig wieder in Betfage ein.
Dann kam das Passafest, und Andreas fragte den Meister: „Wo sollen wir deiner Meinung nach das Seder-Mahl feiern?“ Und wieder schien es, als ob Jesus alles vorbereitet hatte.
„Gehe mit Jakobus in die Stadt“, sagte er. „Etwa um die Mittagszeit kommt jemand zum Brunnen beim Gartentor und schöpft dort Wasser. Dem folgt. Wo er hingeht, ist für uns schon ein Raum vorbereitet. Kissen liegen bereit. Kauft dann ein, was wir sonst dafür brauchen.“
Die beiden holten sich Geld von Judas, der die Kasse führte, zogen los und fanden den Raum, wie Jesus es gesagt hatte. Auf dem Markt kauften sie Brot, Wein, Kräuter, völlig überteuertes Lammfleisch und noch ein paar Kleinigkeiten und kamen dann ohne ein Silberstück wieder zurück.
Abends gingen wir rüber in die Stadt. Der Raum, in dem wir uns dann zusammenfanden, lag direkt neben dem Grab des legendären Königs David. Wir wollten uns gerade setzen, doch Jesus bat uns, noch zu warten. Dann kleidete er sich wie ein Diener und fing tatsächlich an, seinen Jüngern die Füße zu waschen. Ich erinnerte mich an einen Satz, den er einmal gesagt hatte: „Wer unter euch der erste sein will, sei aller Diener.“ Aber das war noch nicht alles. Jeden, dem er die Füße gewaschen hatte, fragte er: „Bist du bereit, meinen Weg mitzugehen?“ Alle sagten, nach kürzerem oder längerem Zögern, schließlich Ja. Und Petrus war natürlich mal wieder der Eifrigste.
Als alle fertig waren, schaute er mich an. „Auf keinen Fall“, rief ich erschrocken. Jesus rückte mit der Waschschüssel rüber. Doch ich sagte: „Als ich den Auftrag bekam, nach Palästina zu reisen, wusste ich, dass zumindest die Überfahrt gefährlich werden könnte. Aber von Kreuzigung stand nichts im Vertrag! Und ich würde mir gerne noch einmal in den Thermen den Rücken massieren lassen.“
„Ich sage nicht, dass du dich mit mir kreuzigen lassen sollst“, meinte Jesus. „Aber wenn du Angst hast, dann geh.“
„Wie dann geh?“ Aber Jesus schaute mich nur an. Und plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher mit den Thermen in Rom. Ich bekam den Eindruck, dass sich hier, am Rande des Imperiums, in diesem Kaff Jerusalem, das eigentlich Bedeutende abspielte. Und dass ich dabei sein sollte. Eigentlich hatte ich neulich in Caesarea Philippi schon meine Entscheidung getroffen. Ich konnte jetzt kneifen, aber dabei hatte ich ein ganz schlechtes Gefühl. Ich nickte Jesus zu und streckte ihm meine Füße hin.
Wenn man die Bibel und besonders das Markusevangelium liest, bekommt man den Eindruck, Jesus sei eine Art Magier, der auf übernatürliche Art weiß, wo sich wann der Wasserträger aufhält und das Zimmer befindet. Nüchtern betrachtet kann ich mir vorstellen, dass er das von langer Hand vorbereitet hat. Andererseits habe ich in den letzten Jahren auch erlebt, wie sich auf fast magische Art und Weise Dinge und Personen zusammenfügen. Pfr. Mückstein meinte, das könne etwas mit „Vorsehung“ zu tun haben. Ich finde es nicht ganz unwahrscheinlich.
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Beitragsbild: Fußwaschung, von Anonymous (italienischer Maler) – Sizilien, Anfang 18. Jh. Nagel Auktionen http://www.auction.de, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=13319548