Gott wird Mensch

Exerzitien 14. Teil, Bingen 2016, die „zweite Woche“

Bisher stand die eigene Person im Mittelpunkt der Exerzitien. Ab nun geht es darum, den Weg Jesu zu meditieren und darin den eigenen Weg zu erkennen. Es beginnt mit der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes. Wie ist dieser Vorgang zu begreifen? Der Kirchenvater Irenäus meinte: „Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott würde.“ Und der ehemalige Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, prägte den Satz: „Mach es wie Gott, werde Mensch.“ Ignatius fordert in seinen Exerzitien zunächst einmal, sich die Szene vorzustellen, wie es zur Inkarnation kam, den Prolog im Himmel. Und dann die Geschichte von der Verkündigung an Maria vor das geistige Auge zu holen. Hier also die Vorgeschichte zur Inkarnation, wie sie wirklich geschehen ist. Quelle: Mein Binger Tagebuch.

DER GÖTTLICHE RATSCHLUSS. DER PROLOG IM HIMMEL
(V: Vater, S: Sohn, H: Heiliger Geist)

V: Ich habe das Gefühl, dass es auf unserer Erde nicht wirklich rund läuft. Seit der Sintflutgeschichte…

S: … die so ja gar nicht stattgefunden hat…

H: … aber spirituell natürlich schon…

V: … und vor allem etwas von Unserem Ratschluss aussagt: Die Welt soll sich weiterdrehen, Naturgesetze zuverlässig wirken, die Menschen sollen alle Voraussetzungen bekommen, ihr Leben vernünftig zu gestalten…

S: … bis die Welt untergeht…

H: … vielleicht in einem großen Feuerball?

V: Und zu den allgemeinen Voraussetzungen haben wir verschiedene konkrete Wege erprobt: den mit mehreren Göttern, den der Selbsterkenntnis und den des auserwählten Volkes.

H: Hat aber alles nicht gut geklappt. Vielleicht jetzt, mit dem Römischen Reich? Pax Romana, Handel, Zivilisation.

S: Aber aufgebaut durch das Schwert. Unendlich viel Leid als Konstruktionsprinzip.

H: Also Zeit für einen Neustart? Wie damals nach der Sintflut.

V: Wir müssen es wieder selbst machen.

S: Warum schaut ihr mich so an? … Und – und was heißt das?

V: Ein Gegenprogramm, natürlich. Liebe statt Hass, Leiden erdulden statt zufügen, Nächstenliebe statt Egoismus, Sandalen statt Soldatenstiefel.

S: Und das ändert dann alles?

V: Wohl kaum, wenn wir an das Sintflutprinzip denken.

S: Und was heißt dann „Erlösung“?

V: … auf Zukunft und auf Hoffnung hin. Ein Grund, eine Ausrichtung. Die Welt hat eine „Tür, die gar nicht da ist“. Einen Ausweg aus den Gesetzmäßigkeiten, die alle auf den Tod zulaufen. Das Leben.

H: Na, du wirst schon recht haben. Und die Menschen können das mit meiner Hilfe ja für sich und immer neu interpretieren.

S: Dann brauchen wir noch jemanden, der Uns inkarniert.

V: Mach du, Geist, du wehst ja, wo du willst.

verkundigung-mariaeUnd der Geist weht, nicht ganz zufällig, nach Israel. Aber sehr zufällig nach Nazareth und noch zufälliger zu einem Mädchen namens Miriam.

DIE VERKÜNDIGUNG

Da ich ja glaube, dass es Engel nicht gibt, sondern dass sie geschehen, denke ich mir das Geschehen anders als es Lukas beschreibt. Ich stelle mir vor: 

In Nazareth lebt ein alter Mann. Onkel Gabriel nennen sie ihn, weil sie glauben, er wisse Geheimnisse, die andere nicht kennen. Er erzählt die alten Geschichten von Abraham und Abimelech, David und Isebel, Jeremia und Mattathias. Miriam geht gerne bei ihm vorbei. Er wohnt auf dem Weg, wenn sie Wasser holen geht aus dem Brunnen. Eines Tages aber kommt Gabriel selbst bei ihr vorbei. Sie erschrickt.

G: Maria, du bist etwas ganz Besonderes.

M: Sagt Vater auch immer.

G: Du wirst einen Sohn bekommen.

M: Wünscht sich Mutter auch schon.

Und dann entspinnt sich ein Gespräch. Miriam versteht erst nicht, dann will sie ablehnen, aber Gabriel bringt David ins Spiel, einen göttlichen Plan, ja die Rettung nicht nur Israels, sondern des ganzen römischen Reiches. Maria bittet um Bedenkzeit.

Abends betet sie, wie ihr Sohn später im Garten Gethsemane beten wird: Gott, das ist mir zu groß. Sag mir bitte, wie es ausgeht. Doch Gott gibt darauf keine Antwort.

Und dann willigt sie ein. Vielleicht denkt sie: Wird schon nicht so schlimm kommen. Vielleicht ist sie auch stolz und geschmeichelt, bei so etwa Großem mitspielen zu dürfen. Vielleicht auch nur beeindruckt von Gabriels Rede. Vielleicht ein bisschen überzeugt, und vielleicht von allem ein bisschen. Und dann entscheidet sie sich.

Nachtrag: Meinen Aufzeichnungen entnehme ich, dass die Schmerzen immer schlimmer werden. Ich gehe in Bingen zum Arzt.

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Beitragsbild: Meister der Ikone der Trinität – The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=155123
Verkündigung an Maria von Leonardo da Vinci (Pixabay)

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