Gutes Karma

Die einen beschwören die christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft und lassen Kreuze in Amtsstuben aufhängen, die anderen träumen von einer Islamisierung des Abendlandes und wieder andere sehen die Religion schon völlig bedeutungslos werden, während einige Inhalte östlicher Religionen offenbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch sind. Fast dreiviertel der Österreicher glaubt, dass gute Handlungen ein gutes Karma erzeugen. Mehr Menschen als an Gott glauben. Im katholischen Österreich! In Deutschland dürfte es ähnlich sein.

Was dieser Satz genau bedeutet, ist nicht so ganz klar. Immerhin hat sich das Karma schon einen Platz in unserer Umgangssprache erobert: „Mach mal was für dein Karma und leih mir 10 Euro.“ Man kann Karma-Chucks kaufen und Karma-Tee trinken. Und man kann sich über das Ganze lustig machen.

Das liegt mir fern. Denn ich halte selbst einiges von dem Konzept. Allerdings nicht in seiner ursprünglichen Variante.

Im Hinduismus und Buddhismus ist Karma eingebunden in ein ziemlich kompliziertes Konzept und ist eng verbunden mit dem Gedanken der Reinkarnation. Einfach gesagt ist Karma alles, was der Mensch tut und denkt. Und alles hat Auswirkungen auf dieses oder ein zukünftiges Leben.

Der Glaube an die Reinkarnation ist mir fremd. Aber ich glaube daran, dass jede meiner Handlungen Auswirkungen hat. Vielleicht nicht auf mein eigenes Leben, aber auf die Atmosphäre in der Welt.

Im Talmud (Sanhedrin 37a) und im Koran (5:32) ist dieser Gedanke ausgedrückt in dem Satz: Wer einen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt. Das finde ich nun wiederum übertrieben. Aber es ist gar nicht nötig, einen Menschen zu retten.

In unserer Nachbarschaft lebt eine Frau mit Trisomie 21. Immer wenn ich sie sehe, verströmt sie gute Laune. Und besonders krass ist es, wenn sie einen Menschen trifft, den sie kennt und mag. Dann explodiert sie förmlich vor Freude. Und ich bin überzeugt: Unser Stadtteil ist auch deshalb so lebenswert, weil sie ist, wie sie ist. Denn ihre gute Laune verströmt sich und erreicht auch Menschen, die sie gar nicht kennt – und vielleicht gar nicht getroffen hat. Einfach weil sie das Karma in ihrer Umgebung positiv beeinflusst hat.

Ich könnte auch sagen: Sie tut etwas für die gute Atmosphäre, von der ich dann wieder profitiere, auch wenn ich nichts dazu getan habe. Ganz im Gegensatz zu Söder. Sein Kreuz-Beschluss in Bayern macht mir sogar in Hamburg schlechte Laune.

Ich glaube: Es lohnt sich, etwas Gutes zu tun und nett zu sein. Auch wenn ich davon unmittelbar nichts habe. Aber es sorgt einfach für ein gutes Karma.

8 Gedanken zu “Gutes Karma

  1. Christopher Schiel schreibt:

    Du hast das sehr treffend beschrieben, lieber Erik, das mit dem Karma.
    Seit Februar besuche ich den Yoga-Kurs in unserer Verheissungskirche und erfreue mich an dieser „östlichen“ Bereicherung meines christlichen Glaubens. Die Mischung aus Meditation, Atem- und Körperübungen, persönlich ergänzt durch das Gebet macht mich wacher, bewusster, achtsamer, dankbarer und ausgeglichener und hilft somit nicht nur vordergründig mir, sondern auch hoffentlich meinem unmittelbaren Umfeld.
    Toll, das die Kirche in Niendorf so etwas anbietet!

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  2. Ute Klingwort-Finster schreibt:

    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

    Oder zur Abwehr schlechter Gedanken: Im alten Israel gab es ja den Sündenbockritus: Einmal im Jahr lud der Hohepriester die gesamte Schuld des Volkes auf einen Ziegenbock und schickte diesen in die Wüste (und damit in den sicheren Tod). Symbolisch nahm das Tier die Schuld der Menschen auf sich und starb an deren Stelle. Natürlich winkt hier die Stellvertretung mit dem Zaunpfahl (Jesus am Kreuz), aber eben auch der Karmagedanke. Schlechte Gedanken haben schlechte Auswirkungen, und diese sollen aus der Welt geschafft werden.

    Ach, wenn es doch so einfach wäre!
    Hinduismus und Buddhismus haben mich schon immer fasziniert. Über deren Nähe zum Christentum gibt es dicke Wälzer. Um die zu lesen, braucht man ein ganzes Leben. Alles sehr spannend. Danke für die Erinnerung!

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  3. Ralf Liedtke schreibt:

    Sind Inhalte östlicher Religionen wirklich auf dem Vormarsch? Ich erinnere Zeiten, wo auch ich dies durchaus empfand und selbst Versuche einer Annäherung startete. Es war spannend, aber letztlich nicht meine „Welt“. Das Christentum empfand ich schließlich doch als meine „religiöse Heimat“ – ein „Suchender“ entdeckte neu seine Wurzeln. Für mich ist es heute der Islam, ein sicher sehr widerspruchsvolles Thema, der in unserer Gesellschaft eine wesentlich größere Rolle spielt und weiter spielen wird.

    Doch eine Frage, lieber Erik: Warum ist Dir der Gedanke an die Reinkarnation fremd? Deine Gedanken dazu erhellen noch nicht meinen „Geist“! Im Christentum gibt es den zentralen Glauben an die Auferstehung – vielleicht nebulöser formuliert – und an das ewige Leben. Und die Bilder von Himmel und Hölle als Antipoden geistern auch hier noch immer herum.

    Magst Du das konkretisieren?

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    • gebrocheneslicht schreibt:

      Reinkarnation ist mir eben deshalb fremd, weil mir der Gedanke an Auferstehung näher liegt. Ich kann mir mich nur vorstellen mit meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele – wobei interessant wäre zu fragen, was denn die Seele überhaupt sei. Denn ich bin mir keineswegs sicher, dass es eine „unsterbliche Seele“ überhaupt gibt. Das ewige Leben wäre dann nicht ein Fortbestehen der Seelen in einer Seelenwelt, sondern eine Neuschöpfung Gottes: Der Mensch stirbt ganz und wird als ganzer Mensch wieder auferweckt. Wie genau, das kann ich gar nicht sagen. Paulus hat da so seine Vorstellungen, bleibt aber auch nebulös (1. Kor. 15).

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      • Ralf Liedtke schreibt:

        Danke, jetzt werden mir Deine Gedanken verständlich. Mir geht es ebenso, dass ich den Gedanken oder Glauben an die Auferstehung dem der Reinkarnation vorziehe. Dieser ist mir einfach näher und hier prägt mich mein christlicher Glaube und der Kulturkreis, in dem ich aufwachsen durfte.

        Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die „Seele“ nicht belegbar. Für mich bleibt die Seele dennoch weiter ein spannendes Phänomen. Ja, was ist Seele? Meine Assoziation ist hier etwas „durch Raum und Zeit Schwebendes“ und sehr Zartes wie auch Verletzliches, ein rational nicht zu greifendes Phänomen. Und irgendwie mag ich auf die Seele auch nicht verzichten. Aber ist sie unsterblich, so es sie wirklich gäbe? Ich kann genauso gut annehmen und mir vorstellen, dass, wenn mein Körper und Geist stirbt auch die Seele ein Ende erreicht.

        Das ewige Leben sich als eine Art völligen Neubeginn vorzustellen ist ein interessanter Gedanke, dem ich gut folgen könnte. Doch spätestens hier versagt meine Vorstellungskraft, wie das aussehen könnte. Und damit bin ich wieder bei einer früheren Aussage: Muss und will ich das eigentlich wissen? Kann und darf ich mich nicht einfach überraschen lassen auf ein Leben nach dem Leben?

        Da öffnet sich vielleicht ein neues „Universum“ und ich bin dabei, voller Neugierde wie auch Zuversicht.

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      • gebrocheneslicht schreibt:

        Wir kommen von Gott und kehren zu ihm zurück. Und wie diese Rückkehr, die man durchaus auch als „Heimkehr“ beschreiben kann, dann aussieht – wer weiß? Entweder wir verschwinden im großen Meer – oder aber behalten unsere Persönlichkeit und Identität, auch vor Gott. Und vielleicht ist es auch eine für uns heute unvorstellbare Mischung, in der sich Körper, Seele und Geist transformieren. Paulus schreibt: „Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ (1.Kor. 15,44) Konkreter wird auch er nicht. Mal sehen… 🙂

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  4. Ralf Liedtke schreibt:

    Das Bild der „Heimkehr“ gefällt mir als Metapher. Heimkehr hat für mich etwas Positives. Ich kehre dorthin zurück, von wo ich einst aufgebrochen bin. Mit einem reichen Strauß an Erfahrungen, die mich geprägt haben und mich haben reifen lassen.

    Und Heimkehr heißt für mich auch, ich tue das sorgenfrei. Eine Atmosphäre der Geborgenheit erwartet mich. Ja, ich muss mich nicht sorgen, ich darf vertrauen und vielleicht auch neugierig sein, was mich am Ort der Heimkehr erwartet.

    Und so wenig ich mir das Universum vorzustellen vermag, seine Entstehungsgeschichte wie auch sein vermutliches Ende, so kann ich es hier. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Vielleicht ist es wie in der Kinderepisode NARNIA: Du gehst durch eine Tür und etwas Neues tut sich auf. Dort bleibt es recht gegenständlich. Ich erwarte eher Transzendentes – da sind wir beieinander. Doch was ist ein „geistlicher Leib“? Da wird es ganz spannend!

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