Kirche für das 3. Jahrtausend

USA 88 – ein Resumee

Kurz nach unserer USA-Reise stellten Johannes und ich aus unseren Bildern Diaserien zusammen, nannten sie „Spiritualität und Weltverantwortung“, „Kirche in der Stadt“ oder gleich etwas unbescheidener „Überlebenschancen der Kirche“ oder gleich „Kirche für das 3. Jahrtausend“. Tatsächlich sahen wir in den christlichen Gemeinschaften, die sich jenseits der Konfessionen an der Bibel ausrichteten, Modelle für eine Kirche der Zukunft. Wir luden interessierte Bekannte ein, stellten die Bilder, Erfahrungen und Begegnungen vor, hatten intensive Diskussionen – und gingen dann bald als normale Pastoren in die Gemeinde. Entweder war die Zeit noch nicht reif für tief greifende Veränderungen oder wir waren es nicht – oder beides.

Heute, 30 Jahre später, erstaunt mich, wie aktuell sich das alles immer noch anfühlt. Natürlich ist die Verbindung von Glaube und Handeln ein Dauerthema für uns Christinnen und Christen: „Der Glaube ohne Werke ist tot“, meint Jakobus (2,20). „Ora et labora“ fordert Benedictus. Und „Kampf und Kontemplation“ heißt es in Taizé. Aber wie das konkret aussieht, muss ja immer wieder neu gefunden und erfunden werden.

Ich habe dabei den Eindruck, dass die „deutsche“ Antwort der institutionellen Großkirche ausläuft.  Die Ansätze aber, die wir damals in den USA gesehen haben, entfalten sich hier und heute: Thomas Merton schlug schon vor 50 Jahren die Brücke zum Buddhismus. Richard Rohr hat es mit seiner „Männerspiritualität“ in ZeitOnline geschafft. Jim Wallis mischt sich immer noch in die Politik ein. Und die Frage, wie politisch Kirche in Deutschland sein darf oder soll, ist längst nicht erledigt. Wie eine engagierte Gemeinde einen Stadtteil verändern kann, hat uns Gordon Crosby vorgemacht. Und unsere Hilfe im „Winternotprogramm“ ist die kleine Schwester von John Steinbrucks Shelter. Und dann spielten die Migranten und Flüchtlinge in New Jerusalem, bei Richard Rohr in Albuquerque und in Washington eine große Rolle. Dort hieß es Sanctuary-Bewegung, bei uns ist es das Kirchenasyl und „Wir für Niendorf“.

Immer wieder lese ich, dass sich die Kirche zurzeit in einem Prozess der „Transformation“ befindet. Sie reagiert zum Beispiel auf die zunehmende Säkularisierung und die Digitalisierung – vielleicht zu langsam, aber die Stimmen werden lauter. Eine schöne Vision von einer Kirche der (nahen) Zukunft habe ich bei Cornelia Coenen-Marx gefunden: „Aufbrüche in Umbrüchen – Christsein und Kirche in der Transformation“. Sie schreibt davon, dass wir vor großen Herausforderungen stehen. Vieles zerbricht, aber: „There is a crack in everything; that’s where the light gets in.“ Mit diesem Wort von Leonard Cohen beginnt sie ihr Buch. Und dann erzählt sie „von persönlichen Erfahrungen, von Beispielen und neuen Modellen“, die Mut und Spaß machen, an einer Kirche von morgen mitzuwirken. Und sie beruft sich dabei auf den Propheten Jesaja (43,19): „Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“

Coenen-Marx spannt einen weiten Bogen. Doch keiner, keine von uns kann alles machen. Wir müssen uns entscheiden: Was ist unser Ort? Wie wollen wir leben? Welche Gemeinschaft gestalten? Die Begegnungen mit den Menschen damals in den USA haben mir geholfen, meinen Weg zu finden und zu gehen – und immer wieder zu überdenken.

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