Kirche und Social Media leben in zwei verschiedenen Welten
Am guten Willen fehlt es ja nicht. Kirche will ja gerne in die digitale Welt einsteigen. Sie setzt sich in Synoden damit auseinander, stellt Expertinnen und Experten ein und verfasst jede Menge Papiere. Aber so richtig ist der Funke noch nicht übergesprungen.
Anfang letzter Woche habe ich auf Facebook eine geschlossene Gruppe „Gespräche über Bibel und Glauben“ gegründet. Von vierzehn Interessierten sagten vier: Auf Facebook gehe ich nicht. Jetzt sind wir hier auf dem Blog, „Zwischen Himmel und Erde“. Wer mitmachen möchte, bekommt ein Passwort zugeschickt.
Ich glaube aber, dass die Distanz zwischen Kirche und Social Media nicht nur an der Aversion einzelner Kirchenmitglieder liegt oder dass die neuen Medien einfach ungewohnt sind. Meine These ist: Social Media passt nicht zu Struktur und Selbstverständnis der Kirche.
Natürlich kann man Facebook nutzen, um die eigenen Angebote bekannter zur machen. Der Erfolg dürfte eher begrenzt sein. Es gibt auch eine Reihe von Facebookgruppen im Konfirmanden- und Jugendbereich – um Absprachen zu treffen oder auf Veranstaltungen hinzuweisen. Dazu kann dann auch wahlweise WhatsApp zum Einsatz kommen. Social Media aber ist und will mehr.
„In der digitalisierten Welt gibt es keine Trennung zwischen Sendern und Empfängern, keine Hierarchien, keine Orthodoxie, alle sind gleich und gleichermaßen Kirche“, schreibt Hannes Leitlein in Christ und Welt. Und weiter: „Es geht um Vielfalt, um Beziehungen und Interaktionen, um Netzwerke und Solidaritäten.“ Und er meint, dass damit doch protestantische Kernideen wie das „Priestertum aller Gläubigen“ aufgenommen und verwirklicht würden.
Welch ein Irrtum. Nach der Confessio Augustana, der Grundlage der Lutheraner, ist die Kirche „die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden“ (CA 7). Dafür verantwortlich ist aber das „Kirchenregiment“, das ist das „Predigtamt“, und das sind Pastorinnen und Pastoren: „Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung.“ (CA 14) Das Priestertum aller Gläubigen heißt nur so, weil alle Christinnen und Christen einen direkten Zugang zum Heil haben und dazu keine Kirche brauchen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch in der Kirche alles dürfen.
Die Grundaufgaben der Pastorinnen und Pastoren sind – mit Ausnahme der Verwaltung einer Kirchengemeinde – Predigt, Seelsorge und Lehre. Und immer geht es darum, dass ich als Pastor Bescheid weiß und die Botschaft nur noch passgenau an die Menschheit vermitteln muss. Nix mit „keine Trennung zwischen Sendern und Empfängern, keine Hierarchien, keine Orthodoxie“.
Der Blog kommt dieser Art von Kommunikation noch am nächsten. Doch ich bemühe mich, so wenig wie möglich „Pastor“ zu sein, so wenig wie möglich zu predigen. Ehrlichkeit in Glaubensfragen ist mir wichtig, und ich muss nicht auf jede Frage eine Antwort haben.
Wie ich es sehe, befindet sich Kirche mit Blick auf Social Media in einem echten Dilemma: Entweder sie gibt ihre bisherigen Prinzipien weitgehend auf oder verändert sie zumindest so stark, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Oder sie verweigert sich der Digitalisierung und „ist gestrig, alt und unbeweglich“ (Hannes Leitlein).
Wie dieses Dilemma zu lösen ist? Das ist eine Frage, auf die ich – noch – keine Antwort habe.
Passen diese zwei Welten wirklich nicht zusammen? Die heutige Kirche hat sicher noch viele Herausforderungen vor sich, um in der digitalen Welt zu bestehen oder positiv formuliert diese auch für sich zu nutzen.
Und diese Herausforderungen stellen sich Wirtschaftsunternehmen oder auch Führungskräften ebenso in oft brachialer Weise. Die Aufgaben von Führung verändern sich und trotzdem wird Führung auch im digitalen Universum eine ganz wesentlicher Erfolgsfaktor bleiben – sie macht sich nicht überflüssig.
Insofern teile ich den kritischen Kommentar zu den Äußerungen von Herrn Leitlein. Dieser obliegt einem Grundirrtum, wenn er meint, dass die digitale Welt keine Hierarchien oder Orthodoxie mehr kenne. Sorry, digitale Welten werden die Menschen nicht gleicher machen. Es entsteht schon jetzt eine andere Art von Hierarchie oder Ungleichheit verbunden mit neuen sie untermauernden „Glaubenssätzen“.
In den Alltag zurück: Social Media können wir Christen nutzen, um uns sichtbarer zu machen, uns aktiv einzubringen oder auch Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Spontane „Gespräche“ und eher „oberflächliche“ Dialoge sind sicher auch möglich wie sinnvoll. Warum also nicht stärker „Flagge“ zeigen?
In Bezug auf einen tiefergehenden Austausch mit der Suche nach wirklich neuen Erkenntnissen bleibe ich skeptisch, wie weit diese Plattforem echten Nutzen stiften können.
Lasst es uns ausprobieren!
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Der Unterschied zwischen Unternehmen und Kirche: Die Unternehmen sind dem Profit verpflichtet und sind deshalb flexibler in der Ausgestaltung der Inhalte. Sie können ihr Image den Umständen anpassen. Beispiel Jägermeister, die von einem verstaubten Schnaps zu einer hippen Marke geworden sind – auch und gerade mit Hilfe von Social Media. Kirche aber ist der Tradition verpflichtet. Die Confessio Augustana wird nicht einfach über Bord geworfen, nur weil sie in der modernen Welt unmodern geworden ist.
Dazu kommt: Wenn ich mich allgemein über Autos informieren will, gehe ich nicht auf die Seite von VW oder Mercedes, sondern auf unabhängige Seiten. Wenn sich Menschen heute über Religion informieren, gehen sie auch nicht zur Kirche, sondern auf gutefrage.net.
Ich glaube auch keinem Auto-Lobbyisten, wenn er die Vorzüge des Verbrennungsmotors preist. Aus demselben Grund genießen die offiziellen Vertreterinnen und Vertreter (z.B. Geistliche) auch nur begrenztes Vertrauen, wenn es um Fragen der Religion geht.
Aber Du hast Recht, Ralf, wenn Du schreibst: „Social Media können wir Christen nutzen, um uns sichtbarer zu machen, uns aktiv einzubringen oder auch Kontakte aufzubauen und zu pflegen.“ Allerdings wird es für „nromale“ Menschen zunehmend schwerer, in der Gesellschaft Gehör zu finden. Habe dazu gerade heute auf ZeitOnline und FAZ.net zwei Artikel gefunden.
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Der Unterschied zwischen Unternehmen und Kirche überzeugt mich nicht ganz, lieber Erik.. Nicht wenige Unternehmen „verschliefen“ schon in der Vergangenheit bei anderen Herausforderungen die Zeit, ruhten sich auf alten „Erfolgen“ aus und waren urplötzlich weg vom Markt. Und dies alles geschah trotz aller Profitverpflichtung und zum Schaden der beteiligten Menschen.
Mir bleibt Deine These zu sehr in einem entweder „JA“ oder „NEIN“ behaftet. Ich habe trotz aller kritischen Distanz bei gleichzeitiger Nähe zur Kirche die Zuversicht, etwas bewegen zu können. WIR können und müssen das versuchen. Du selbst tust es beispielhaft. Und nur darum kann es gehen – und hier dürften wir einer Meinung sein.
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Ich habe den Artikel in der FAZ.net kurz gelesen. Er erschreckt mich, selbst wenn er mich nicht wirklich überrascht. Aber authentische Berichte berühren einfach mehr. Diese erzählende Mutter hat meinen vollsten Respekt. Sie beweist Mut!
Es darf keinen Zwang zu irgendeinem Glauben geben. In der säkuaren Gesellschaft beruht dies alles auf einer freiwilligen Entscheidung. Das halte ich auch für gut.
Verstehen wollen und Toleranz gegenüber anderen Religionen oder auch Menschen, die keinem expliziten „Glauben“ anhängen, ist so für mich selbstverständlich und gehört zu meinen tiefsten inneren Werten seit vielen Jahren. Eine Gesellschaft, die von der Vergangenheit christlich geprägt ist, muss sich heute ohne Zweifel öffnen, aber darf sich ihrer Herkunft her nicht verleugnen.
Und wenn die propagierte und gelebte Toleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen – wir sind ja so aufgeklärt, modern und offen! – sich offener zeigt als dem gepflegten Misstrauen/ Abwertungen dem eigenen traditionellen Erbe gegenüber, wird es mehr als fragwürdig.
Und ich selbst beginne mich hier zunehmend zu hinterfragen. Denn sonst würde ich nur die Verantwortung wieder einmal anderen zuweisen.
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