Sie passen einfach nicht zusammen

Kirche und Social Media pflegen eine schwierige Beziehung

Die Kirche setzt vor allem auf face-to-face-Beziehungen. Besuche und Gottesdienst, Kita-Andacht oder Seniorennachmittag – in der Gemeindearbeit geht es um den persönlichen Kontakt. Der Gemeindebrief soll zu den Veranstaltungen einladen, und die Internet-Seite die Reichweite des Gemeindebriefs steigern.

Die Facebook-Seite „Kirche in Niendorf“ hat 54 Mitglieder. Andere Social-Media-Plattformen kommen erst gar nicht vor. „Wie erkläre ich jemandem, der noch nie etwas davon gehört hat, Wörter wie Bitmoji, Snapcode, Memories, Shazam und andere?“, fragte sich eine 18-Jährige, die vor einem Pfarrkonvent etwas von Snapchat erzählen sollte.

Ertappt. Ich selbst, der ich mich zu den Aufgeschlossenen für Social Media zähle, musste jedes einzelne Wort nachschlagen. Ist diese Fremdheit zwischen Kirche und Social Media vielleicht eine Generationenfrage? Die Entscheidungen in der Kirche werden von den 55- bis 60-Jährigen getroffen. Menschen wie mir. Und wir sind viele. Babyboomer eben. Bis wir pensioniert werden, sind die Plätze besetzt.

Dabei sind wir mit Technik groß geworden. Wir haben sogar einen rasanten technischen Wandel erlebt. Vielleicht sind meine Erfahrungen da nicht ganz untypisch.Von diesen Erfahrungen möchte ich erzählen – es wird dann auch ein weiterer Beitrag zur Reihe „Wie ich wurde, was ich bin“ – deren andere Teile du unter der Themensuche auf der rechten Seite findest.

Technische Revolutionen auf meinem Schreibtisch

Nicht immer gelingt es Eltern, ihren Kindern zu Weihnachten ein nützliches Geschenk zu El Schreibmaschinemachen, das ungeteilte Freude auslöst. Meinen Eltern ist es 1976 gelungen. Ich bekam eine elektrische Schreibmaschine. Sie war, gegenüber ihren mechanischen Vorgängerinnen, eine technische Revolution. Endlich war es möglich, Texte zu schreiben, ohne sich die Finger zu brechen. Wer weiß, wie viele Abgabetermine ich ohne dieses technische Wunderwerk verpasst hätte.

TypenradVier Jahre später, rechtzeitig zu den Examensarbeiten, wechselte ich zur elektronischen Typenradmaschine. Jetzt konnte ich – den Besitz der entsprechenden Typenräder vorausgesetzt – nicht nur Buchstaben kursiv und in verschiedenen Größen verarbeiten, sondern auch griechische und hebräische Buchstaben professionell einfügen.

AtariDann wurde ich Pastor, es kam das Jahr 1987, und der Atari 1040ST trat in mein Leben. Inklusive Drucker und Festplatte (der großen mit 30MB, man kann ja nie genug Speicherplatz haben) kostete das System um die 4.000 DM. Es war sein Geld wert.

Ich fühlte mich, als wenn ich zu einer Avantgarde gehörte. Der Eindruck dürfte nicht ganz falsch gewesen sein. Es war die Zeit, in der es in der Gemeinde noch erhebliche Widerstände gegen den Anrufbeantworter gab. Und bis sich unter den Mitarbeitenden der PC, das Internet und die Korrespondenz per Mail durchgesetzt hatte, sollten noch Jahre vergehen. Wenn es um die digitale Revolution ging, stellte sich Kirche gerne hinten an.

Es waren die Zeiten, in denen ein naturwissenschaftlich eher unbegabter Pastor zum EDV-Experten der Gemeinde werden konnte – ein Status, den ich selbst meinen Kindern gegenüber noch einige Jahre aufrecht halten konnte. Mein Sohn konnte zwar besser FIFA2010 spielen, dafür kannte ich die guten Antivirenprogramme.

Und dann kam Facebook, und die technologische Entwicklung zog gnadenlos an mir vorbei. Zwar habe ich seit anderthalb Jahren selbst einen Account, aber ich bekomme einfach kein Gefühl für diese Plattform. Zwar habe ich dort sogar eine Gefällt-mir-Seite, um die Reichweite des Blogs zu steigern, aber die hat mir meine Tochter eingerichtet. Twitter, Snapchat, Instagram oder Pinterest habe ich erst gar nicht installiert.

Eine Ausnahme ist der Blog. Vielleicht deshalb, weil er dem Kerngeschäft des Pastors noch am nächsten kommt. Es ist wie Predigt schreiben, nur anders. Noch persönlicher, noch direkter. Riskanter, weil ich nicht weiß, wer es liest. Interessant, weil Reaktionen von Seiten kommen, die auch weit über Gemeindegrenzen hinausgehen.

Ich habe mich allerdings einen ganzen Monat in diese Plattform einarbeiten müssen, ehe ich meinen ersten Beitrag schreiben konnte. Diese Zeit hat man im normalen Pfarramt nicht.

Und das ist ein ganz wesentlicher Grund, weswegen Social Media unter uns einen solch schweren Stand hat. Wir sind nicht damit aufgewachsen, diese Form der Kommunikation ist uns fremd. „Luther hätte getwittert“, sagt man uns. Mag sein. Er hatte auch jede Menge Zeit. Wann sollen wir das denn noch machen?

Es braucht mehr als gut gemeinte Appelle, um Social Media in der Kirche zu etablieren. Es gehört zu den Aufgaben meiner Stelle, dass ich dafür Ideen entwickle. Da gibt es allerdings ein Problem. Es geht nur gemeinsam mit den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitenden. Und die bevorzugen die face-to-face-Kommunikation. Das ist nun in der Chemo-Zeit für mich eher schwierig. Aber vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten. Ich arbeite daran.

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Bilder:
Beitragsbild, wie meistens: Pixabay
1. Bild (c) Erik Thiesen – ja, das auf dem Bild bin auch ich 🙂
2. Bild CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6034715

3. Bild CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=500910

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