Wie ich wurde, was ich bin III
Eine besondere Herausforderung zum Beginn des Theologiestudiums sind die Sprachen. Latein hatte ich schon in der Schule gehabt und nicht geliebt. Griechisch, die Sprache des Neuen Testaments, ist in seinem Aufbau ganz ähnlich, auch wenn die Buchstaben anders aussehen. Hebräisch fand ich viel cooler. Die Buchstaben sehen erst einmal sehr fremd aus. Und es ist gar nicht so einfach, hinter all den Vor- und Nachsilben die Grundform der Vokabel herauszufinden. Vor allem aber: Die Sprache entbehrt einer klaren Logik, ganz anders als das Griechische. Die Bedeutung eines Satzes wird oft weniger analysiert als vielmehr erahnt. Und das hat Folgen, sogar für das Bild von Gott.
Im 2. Buch Mose antwortet „Gott“ auf die Frage, wie denn sein Name sei: אהיה אשר אהיה (ehijä ascher ehijä). Die Übersetzung ins Griechische lautete ᾿Εγώ εἰμι ὁ ὤν. Zu deutsch: Ich bin das Sein. Das passt gut in die griechische Philosophie: Gott ist das in sich ruhende Sein, der unbewegte Beweger, eine abstrakte Idee. Über die lateinische Übersetzung „ego sum qui sum“ wurde daraus „Ich bin, der ich bin.“
Das entspräche aber nicht dem hebräischen Denken, meinte der Professor für Altes Testament. Man müsse vielmehr übersetzen: Ich werde sein, der ich sein werde. Oder noch genauer: Ich werde mich erweisen, als der ich mich erweisen werde. Oder kürzer: Ich bin der, der mitgeht. Oder anders: Auf die Frage des Mose, wer Gott denn sei, antwortet der: Das verrate ich dir nicht. Probiere es aus. Dann wirst du sehen: Ich bin bei dir. Wenn du es nicht ausprobierst, wirst du es nie erfahren.
Griechisch und hebräisch stehen für zwei völlig verschiedene Denk- und Glaubensweisen. Griechisch fürs Denken, für die Philosophie. Ich versuche, durch objektives Betrachten und Analysieren zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Das Griechische sucht die Eindeutigkeit. Das funktioniert hervorragend, wenn man einen Computer bauen will. Das Hebräische steht für die Beziehung, für das Geheimnis, das Gefühl. Das Hebräische hat kein Problem mit der Mehrdeutigkeit. Es ist die Sprache der Liebe, der Poesie – und für mich die Muttersprache der Religion. Ich gehe davon aus, dass ich Glaubensgewissheit nicht durchs Nachdenken bekomme, sondern nur übers Ausprobieren. Ich mag das hebräische Denken – in Fragen des Glaubens.
Das fand Papst Benedikt XVI. übrigens überhaupt nicht. In seiner Regensburger Vorlesung 2006 hat er sich explizit zum griechischen Denken bekannt. Kein Wunder, um ewige Wahrheiten zu verkünden, braucht man ja auch ein ziemlich statisches Gottesbild.
Das finde ich auch in der evangelikalen Theologie wieder. Historisch ein Kind der Aufklärung, setzte sie der Vernunft der Bibelkritik eine höhere Gottesvernunft entgegen. Aber im Prinzip bleibt es die Sprache der Wisse XVI.nschaft. Hier ist kein Raum für das Geheimnis, für die Poesie. Alles ist festgelegt, logisch und unwandelbar.
Denke ich an die Diskussionen mit Muriel und Christina zurück, so habe ich den Eindruck: Christina und Muriel sprachen dieselbe Sprache, nämlich „griechisch“. Sie gingen nur von unterschiedlichen Prämissen aus: Für Christina ist „der Gott der Bibel“ der Ausgangspunkt ihres Denkens, für Muriel die voraussetzungslose Vernunft. Mit meinem „hebräisch“ inspirierten Denken konnten sie beide nichts anfangen.
Aber vielleicht kommen wir ja zueinander, wenn wir uns an Eva orientieren? Oder, wie ich es auch gerne nenne, am „Star-Trek-Prinzip“?
Die ersten beiden Beiträge zu „Wie ich wurde…“ stehen hier und hier. Und der nächste kommt bestimmt.
2 Gedanken zu “Die Sprachen der Bibel”