auch 8. Teil der Reihe über die Exerzitien. Bingen, 23. Juli 2016 – siehe unter Themensuche
„Ich gebe dir das Ende einer goldenen Schnur in die Hand. Rolle sie zu einem Knäuel auf und geh ihr nach. Sie wird dich an das Tor zur Heiligen Stadt führen“, sagte der Maler und Mystiker William Blake (1757-1827). Vor Jahren bekam ich im Ansverus-Haus ganz real eine solche goldene Schnur, als Symbol für mein Leben. Eigentlich aber waren es zwei ineinander verwobene Fäden.
In der Zeit der Exerzitien in Bingen nahm ich diesen Gedanken wieder auf. Der eine Faden, so stellte ich mir vor, ist die naturwissenschaftliche Seite. In ihr spielt Gott keine Rolle. Wenn ich einen Virus auf dem PC habe, hilft kein Beten, sondern nur noch ein gutes Antivirenprogramm. Ich habe auch noch nicht erlebt, dass die Naturgesetze durch das Handeln (eines) Gottes außer Kraft gesetzt wurden.
Das musste auch der fromme Mann erfahren, der in einen Sumpf gefallen war und Gott um Hilfe anflehte. Da kam die Feuerwehr vorbei und fragte, ob sie helfen könne. Der Mann aber verneinte, voller Vertrauen auf die Hilfe Gottes. Aber er versank weiter. Noch zweimal kam die Feuerwehr, aber der Mann verwies beide Male auf die Kraft Gottes. Schließlich versank er ganz. Und als er vor seinem Schöpfer stand, klagte er ihn wegen unterlassener Hilfeleistung an. Aber Gott antwortete ihm: Dreimal habe ich die Feuerwehr vorbeigeschickt. Was soll ich denn noch tun?
Und wenn Ihr diese Geschichte schon gekannt habt, dann vielleicht auch die vom Kletterer, der sich völlig verstiegen hatte, nicht vor und zurück kam und rief: Ist da jemand, der mir helfen kann? Und er hörte eine gewaltige Stimme, die sagte: Lass dich fallen, mein Sohn. Ich halte dich. Und der Kletterer rief nach einer Weile: Ist da vielleicht noch jemand, der mir helfen kann?
In Notsituationen heißt es auch für mich als erstes: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Aber es gibt noch einen zweiten Faden. Wenn es darum geht, einen Sinn in der Welt zu finden, einen Zusammenhang und ein Ziel in meinem Leben, dann komme ich an Gott nicht vorbei. Gott gibt dem Leben Farbe – wie im Film „Life of Pi“ dargestellt. Wenn ich an Gott glaube, dann habe ich einen Ansprechpartner und Verantwortlichen für die Umstände in meinem Leben. Dann kann ich fragen: Was hast du dir dabei gedacht, Gott, als der Krebs kam? Aber ich kann auch sagen: Gott, ich sehe, dass du dir sehr viel Mühe gegeben hast. Ich bin nicht tot, noch nicht einmal querschnittsgelähmt. Die Menschen gehen unglaublich rücksichtsvoll mit mir um. Ja, du bist der Ursprung von beidem, von Tod und Leben.
Ein Gedanke zu “Wo ist Gott?”