Die Säkularen

Kirche im Dialog (3). – siehe Themensuche

Richard Dawkins hat eine Mission. Er ist von Haus aus Evolutionsbiologe und damit der Ansicht, dass die Lebewesen, die Erde, ja das ganze Universum aus sich selbst heraus entstanden ist und sich entwickelt hat. Seine Gegner sind die Kreationisten. Diese meinen, dass alles erschaffen wurde. Von Gott erschaffen wurde.

Es gibt sie grundsätzlich in zwei Ausgaben: Denen, die vom „Intelligent Design“ sprechen und die „Junge-Erde-Kreationisten“. Erstere geben zu, dass es Urknall und Evolution gegeben hat, aber nicht einfach so. Es müsse, sagen sie, einen intelligenten Designer hinter allem geben, der die ganze Entwicklung immer wieder, auch mit übernatürlichen Mitteln, in die richtige Richtung gelenkt hat. Nur so hätte der Mensch entstehen können. Die zweite Gruppe hält sich strikt an die Bibel: Das Universum ist in sieben Tagen entstanden. Weil es so in der Bibel steht, und die ist schließlich Gottes Wort.

Dagegen kämpft Dawkins an. Er schreibt Bücher. Sein berühmtestes heißt „Der Gotteswahn“. Sein Anliegen ist nun nicht nur, die Evolutionstheorie zu verteidigen, sondern gegen die Religion insgesamt zu kämpfen. Sie hält er für schädlich, weil sie das freie Denken unmöglich mache. Denn Religion, so sagt er, geht immer von Vorgaben aus, die nicht beweisbar seien: Von Gott und der unhinterfragbaren Autorität der Bibel. Deshalb diskutiert er auch mit Vorliebe mit Kreationisten, die ihre Theorie auf wissenschaftlichem Weg beweisen wollen – und meistens dann wie die Idioten dastehen. Schließlich gründet er eine Bewegung, die „Brights“ (deutsch: Die Erleuchteten).

In Deutschland ist es besonders die Giordano-Bruno-Stiftung mit ihrem Vorsitzenden Michael Schmidt-Salomon, die seine Ideen aufgreift und in die Öffentlichkeit bringt. Bekannte Mitglieder ihres wissenschaftlichen Beirats sind etwa Monika Griefahn, Janosch oder Ingrid Matthäus-Maier. Und ihr Hauptgegner ist nach wie vor die Kirche.

Sie kooperieren mit so genannten Humanistischen Vereinen, die sich in ganz Deutschland gegründet haben. Sieben dieser Verbände schließen sich hier 2014 zum Säkularen Forum Hamburg (SF-HH) zusammen. Ihre Ziele: Rechtliche Gleichstellung mit den Kirchen und Zurückdrängen der religiösen Inhalte und Symbole aus dem öffentlichen Leben – von Feiertagsregelung bis Schulunterricht.

Ich hoffe, dass ich die Lage soweit ziemlich objektiv dargestellt habe. Nun kommt meine Haltung dazu.

Gemeinsam ist den „Humanisten“ um Dawkins und Schmidt-Salomon und den Kreationisten, dass sie Gott als ein naturwissenschaftliches Prinzip begreifen, das irgendeine Leerstelle in der Forschung ausfüllen könnte. Doch für mich ist Gott eine völlig andere Dimension, naturwissenschaftlich weder zu erklären, noch erklärt er etwas. Die Wissenschaft selbst kommt völlig ohne Gott aus. Ja, sie muss es sogar, denn sie muss Zusammenhänge in der Natur erforschen und erklären. Sie muss objektiv sein. Sie muss Rätsel lösen können.

Mit Gott aber kommen wir in eine andere Dimension. Hier wird das Rätsel zu einem Geheimnis, dem wir uns annähern, das wir aber niemals lösen können. Es ist die Welt der Liebe und der Suche nach Lebenssinn. Es gelten nicht die Fragen: Wie funktioniert das?, sondern: Nach welchen Grundsätzen will ich leben, was ist meine Berufung? Um diese Fragen zu klären, muss ich den Bereich der Objektivität verlassen und subjektiv werden. Ich muss mich betreffen lassen, Entscheidungen fällen, Beziehungen eingehen.

Die Kreationisten vermischen diese Bereiche – und haben deshalb schon verloren, ehe sie den Kampf aufgenommen haben. Für Dawkins dankbare Gegner. Dass er sich immer wieder solche Gesprächspartner aussucht, ja sie für Prototypen religiösen Denkens hält, zeigt sein sehr begrenztes Weltbild.

Damit die „Brights“ jeglicher Couleur immer als Sieger aus der Diskussion hervorgehen, bedienen sie sich mehrerer Tricks. Der erste besteht darin, dass sie selbst definieren, was religiöse Menschen auszeichnet. Sie würden nicht eigenständig denken, sondern entnähmen ihre Meinungen und Handlungsanweisungen unkritisch einem heiligen Buch, so Dawkins. Wenn sie es nicht täten, sondern selbst dieses Buch kritisch hinterfragten, seien sie keine richtigen, sondern weichgespülte Religiöse, die man nicht ernstnehmen könne.

Ein zweiter Trick besteht darin, alle Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, zu Säkularen zu erklären. Deshalb nimmt das SF-HH für sich in Anspruch, für 60% der Hamburger zu sprechen, obwohl  nach eigenen Angaben nur ca. 1.000 Mitglieder dazugehören.

Der dritte Weg ist der, die Bedeutung der Kirchen und ihre Finanzierung durch den Staat hochzuspielen. Jeder Cent, mit dem ein Krankenhaus oder eine Kita unterstützt wird, wird damit der Kirchensteuer gleichgestellt. Als Quelle wird fast immer der Kirchenkritiker Carsten Frerk genannt. Berechnungen der Kirchen selber werden konstant ignoriert. Soviel zu einer objektiven Berichterstattung.

Die vierte These: Säkularer Humanismus wird zur Normalität erklärt. Alle anderen Einstellungen sind dann irgendwie unnormal – zu ertragen, wenn sie privat ausgeübt werden, aber aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Deshalb lautet eine der Forderungen des SF-HH „Nicht zum Glauben erziehen“ (so der Titel eines Beitrags in der taz vom 15. März 2017).

Das erinnert schon fast an das Mittelalter – mit dem Unterschied, dass damals die christliche Religion die Norm war. Alle anderen Meinungen mussten damals auch aus dem öffentlichen Raum entfernt und bekämpft werden, wenn sie der herrschenden Meinung widersprachen. Damals galten alle Andersgläubigen als Heiden. Heute nennt man sie „unvernünftig“. Das Prinzip ist das gleiche.

Wir haben also tatsächlich Gesprächsbedarf.

4 Gedanken zu “Die Säkularen

  1. Friedhelm Bertg schreibt:

    Danke für den Link. Das Interview mit dem persischen Schriftsteller Said hat mich an den persischsprachigen Dichter Rumi erinnert und seine fortwährende Mahnung an das Wesentliche zu denken, das wir als Menschen alle teilen. Hier ein kleines Gedicht:

    Achte gut auf diesen Tag,
    denn er ist das Leben –
    das Leben allen Lebens.
    In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine
    Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
    die Wonne des Wachsens,
    die Größe der Tat,
    die Herrlichkeit der Kraft.
    Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
    und das Morgen nur eine Vision.

    Das Heute jedoch, recht gelebt,
    macht jedes Gestern
    zu einem Traum voller Glück
    und jedes Morgen
    zu einer Vision voller Hoffnung.

    Darum achte gut auf diesen Tag.

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