Zum rhetorischen Repertoire der Populisten gehört ein stabiles Misstrauen den Politikern gegenüber. Ein Misstrauen, das nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung 28% der deutschen Bevölkerung hat. Und der Kieler Professor Rainer Mausfeld hat gerade viel Erfolg mit seinem auf Youtube eingestellten Vortrag über die Eliten, die uns für dumm verkaufen. Sein Titel: „Warum schweigen die Lämmer?“
Es wird immer wieder gesagt, dass Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in Parteien und Institutionen – und das gilt auch für die Kirche – verloren hätten. Es klingt, als ob es deren Schuld sei. Aber die Institutionen haben auch hart daran gearbeitet, diesen Eindruck zu vermitteln. Ich denke da an die Verflechtungen von Politik und Wirtschaft. Ich denke an den Umgang mit dem Missbrauchsskandal vor allem in der katholischen Kirche, aber auch an Aktionen und Aktivitäten der evangelischen. „Wir müssen etwas tun, damit wir den Mitgliederverlust, den Bedeutungsverlust und den Finanzverlust stoppen“, hieß es in vergangenen Jahrzehnten oft – und nicht: Wir müssen etwas für die Menschen tun.
Ich kenne nur die Politikerinnen und Politiker hier vor Ort. Das sind alles ehrenwerte Menschen, die das Ziel haben, gewählt zu werden. Sonst könnten sie ja auch keine Politik mehr machen.
Doch es gibt auch Unterschiede. Die einen machen den Eindruck, dass sie sich vor allem für ihre Partei, ihre eigene Kandidatur und ihr Programm engagieren. Und es gibt andere, die den Eindruck vermitteln: Mir geht es um den Stadtteil und seine Menschen.
Und ich kenne Kirche. Sie muss sich um ihre eigenen Strukturen, ihre eigene Verwaltung kümmern. Sonst fällt sie auseinander, und dann kann sie auch nicht mehr helfen.
Doch auch hier gibt es das ehrliche Bemühen, nahe bei den Menschen zu sein. Ob diakonische Arbeit wie Mitternachtsbus, Begegnungsstätte und Familienbildung, kulturelle wie Musik und Theater, spirituelle wie Gottesdienste und Gespräche, wir möchten auch gerne Gutes tun.
Ich glaube, dass wir im selben Boot sitzen, die Parteien und die Kirche. Wir haben viel Porzellan zerschlagen. Und wir können es nur wieder kitten, wenn wir uns alle geduldig und konsequent in den Dienst der Gesellschaft stellen – so wie es der Prophet Jeremia schon vor 2500 Jahren anmahnte (Kapitel 29, 7): „Suchet der Stadt Bestes.“
Vielen Dank für diese Info. „Warum schweigen die Lämmer“ kannte ich schon und finde es sehr gut. Mein Empfinden ist, vieles in dieser Welt wird zusehends schlechter, sogar bedrohlich. Wir sitzen alle in einem Boot. Ein offener Austausch ist hilfreich, damit wir nicht blind in Zustände geraten, die hinter her alle bereuen. Ich lese gerade in einer Zeitschrift von 1978 (!) und zitiere mal einige Stellen:
„Was hat uns diese Welt gegeben? Stellt euch nur vor, was diese Welt uns gegeben hat. Die Welt hat uns sich selbst gegeben. Und was ist das? Was ist das? Verrücktheit, Elend, Leiden. Seht es euch doch an!…
Ist das die Welt? Wenn ihr selbst eine Welt machen solltet – wie würdet ihr sie machen? Wenn ihr auch nur einen Funken Verstand in eurem Kopf hättet, über euren Schultern, an der rechten Stelle – was würdet ihr erschaffen? Ein Monster? Würdet ihr Elend schafffen? Würdet ihr Leiden schaffen? Würdet ihr Irrsinn schaffen? Oder würdet ihr eine ganz einfache, ganz schöne, ganz unwissende Welt schaffen, – ich meine ´unwissend ` nicht im Sinne von Intelligenz, sondern im Sinne von einfacher, bescheidener Unwissenheit – in der es Schönheit gibt, in der die Flüsse und Ströme sauber und klar sind…..
Deshalb, …., müssen wir uns diese Welt wirklich anschauen – ist es das, was wir wollen? Wessen Produkt ist sie? Sie ist das alleinige große Produkt dessen, was ein „Kopf“ („Verstand“) machen kann. Sie ist das alleinige Produkt des „Kopfes“.
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Ja, Rainer Mausfeld hat sicher in vielem Recht. Aber er hat ein schlichtes Weltbild: dort die machtversessenen „Eliten“, hier das einfache Volk. Solche Weltbilder machen mich unruhig. Und was kann man gegen solche Mächte tun? Entweder Fundamentalopposition oder auf ein Eingreifen (eines) Gottes hoffen. In beiden Fällen sind die Ergebnisse in der Vergangenheit i.d.R. irgendetwas zwischen unbefriedigend und katastrophal gewesen.
Und gehört Mausfeld nicht auch zur Elite? Gibt es nur Egoisten „da oben“? Und ist „das einfache Volk“ tatsächlich immer so toll?
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Das Thema hat es in sich. Wo soll man anfangen? Nachfolgend einige Gedanken dazu.
Wenn ich denke, dass mein Glück abhängt von dem was um mich herum passiert, kann man schon ins Nachdenken kommen: man fühlt sich eingeengt, seiner Freiheit beschnitten. Warum wird es nicht jedes Jahr besser: mehr Parks, weniger Verkehr, eine Straßenbahn, bessere Luft, schönere Gebäude, biologische Landwirtschaft, Artenvielfalt und -erhalt etc. Doch sind es wirklich nur die äußeren Umstände und andere Menschen die mein Leben bestimmen?
Dazu einige Zitate:
„You yearn (=sich sehnen) for freedom when you are not truly free. Freedom is, when you feel free inside. That`s when you feel free. That´s when you are doing what you are meant to be doing (was du tun solltest). That´s when you are doing what you are supposed to be doing. That´s why it feels good. And that´s why your heart then dances.”
“In diesem Leben haben wir eine Gelegenheit, eine Chance es richtig zu machen. Und als erstes muss man es für sich selber richtig machen. Und es gibt nicht so viele Leute in der Welt, die das machen. Sie sind sich selber gegenüber nicht fair. Sie sehen die Gelegenheit nicht als eine Gelegenheit an. Sie sehen eine Gelegenheit als etwas außerhalb von ihnen selber. Nicht als: ich bin eine Gelegenheit. Ich bin am Leben. Ich existiere. Und dies bedeutet etwas….“
„Der Grund für die erste Wirtschaftskrise war Gier.
Für die zweite: Gier.
Für die dritte: Gier.
Wird es weitere Krisen geben?
Natürlich. Es herrscht kein Mangel an Gier in dieser Welt.“
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„Es herrscht kein Mangel an Gier in dieser Welt“ klingt sehr nach dem buddhistischen Grundgedanken, dass die Ursache von Leid Gier, Hass und Illusion ist. Und Ignatius sagt, dass es Leidenschaften sind, die den Menschen an seiner Berufung hindern.
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Vielleicht kann man es so ausdrücken, dass die „Gier“ auf das Erreichen eines falschen Ziels ausgerichtet ist. Dazu ein Zitat/Ausschnitt:
„Das erinnert sehr an die Geschichte von dem Bettler, der glaubt, der Reiche sei glücklich, weil er Geld hat. Das ist vielleicht das, worüber er sich freut. Doch der Reiche glaubt, der König sei glücklich, weil er sowohl Geld als auch Macht hat. Und was glaubt der König? Er glaubt, der Kaiser sei glücklich. Er hat mehr Macht. Er hat mehr Geld. Er kann sich an einem größeren Reich erfreuen. Er ist ein Kaiser.
Und was glaubt der Kaiser? Der Kaiser glaubt, Gott sei glücklich.
Die Geschichte geht dann so weiter, dass eines Tages, als der Allmächtige gefragt wurde: „Wer ist nun wirklich glücklich?“, die Antwort hieß: „Der an mich glaubt.“ (… der Hingabe an mich hat)… „Hingabe ist eine unbefangene Liebe. Liebe ohne einen Grund.“
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