Serie Exerzitien (3) – siehe Themensuche
Bingen, 17. Juli 2016. Fühlt es sich so an, ein Mönch zu sein? Ich sitze in meiner Zelle und schaue auf die Weinberge Richtung Büdesheim. Ich bin allein mit mir, und es fühlt sich gut an. Ich muss nicht reden, ich darf nicht reden. Ich habe so gut wie keine Verpflichtungen. Meine Aufgabe ist es, dass ich mich ganz auf mich selbst konzentriere. Ich darf nicht nur, ich muss egoistisch sein. Ich muss mich um niemanden kümmern. Ich darf nicht nur, ich muss a-sozial sein.
Naja, so ganz stimmt das nicht. Der Tag fing an mit einem gemeinsamen Morgengebet. Da ist es schon nett, einen netten Blick zu teilen. Danach Frühstück. Wenn wir nicht aufmerksam füreinander sind, komme ich nie an den Kaffee auf der anderen Seite des Tischs – und die anderen nicht an die Milch auf meiner. Wir dürfen ja nicht reden. Es werden noch das gemeinsame Mittagessen und das Abendbrot folgen, nachmittags ein gut halbstündiges Gespräch mit Pfarrer Mückstein und abends die Kommunion – Evangelische sind hier ganz selbstverständlich willkommen.
Aber sonst bin ich für mich alleine. Und habe eine große Aufgabe vor mir. Am Vortag habe ich die Themen für die ersten Tage bekommen, und da heißt es: Es geht um nichts weniger als „um eine umfassende innere Freiheit für jedes Erkennen und Entscheiden im Blick auf das eigene Leben und seine Berufung“. Und dazu muss ich alles entfernen, „was dieser inneren Freiheit im Wege steht oder sie irgendwie einengen könnte“.
Na, dann mal los. Das war schon immer mein Wunsch.
Aber so einfach scheint es nicht zu sein. Denn es geht zunächst einmal „darum, die ganze Wahrheit meines Lebens zuzulassen und anzuschauen – soweit mir das jetzt zugänglich ist“. Und dazu gehören zum Beispiel „erlittene Verwundungen und Enttäuschungen, die je eigene passive und aktive Schuldgeschichte … dunkle, bedrohliche Kräfte im Unterbewusstsein, aber auch verpasstes, verhindertes, ungelebtes Leben“.
Das hört sich wieder nicht so toll an. Aber sehr spannend.
2 Gedanken zu “Mönch auf Zeit”