2. Teil der Reihe über die Exerzitien
Den 1. Teil findest du hier.
Allein das Wort „Exerzitien“ klingt für unsere Ohren, die protestantischen zumal, ungewohnt und militärisch. Das ist kein Zufall. „Exercitium“ heißt Übung, und der sie entwickelt hat, war ursprünglich Soldat gewesen.
Ignatius von Loyola war ein Zeitgenosse Martin Luthers. In einer Schlacht wurde er schwer verletzt und las, weil nichts anderes da war, in seinem Krankenbett Heiligenlegenden. Und er war begeistert. So wollte er auch sein: Nicht mehr einem weltlichen König untertan sein und Menschen töten, sondern dem ewigen König folgen und Menschen helfen. Er hatte seine Berufung gefunden. Er wollte den Willen Gottes tun.
In den folgenden Jahren sammelte er eine Gruppe von Männern um sich, die sich Societas Jesu nannten – die ersten Jesuiten. Und immer wieder standen sie vor der Frage: Was ist unsere Berufung? Was möchte Gott, dass wir tun?
Und so entwickelte Ignatius im Lauf der Jahre eine Reihe von Übungen, mit Hilfe derer man genau dieser Frage auf die Spur kommen sollte und nannte sie „Exercitia spiritualis“.
Sie wurden in den vergangenen 500 Jahren von den Jesuiten immer wieder überarbeitet und sind auch heute noch aktuell. Denn sie drehen sich im Grunde um die beiden Fragen: Wer bin ich? Und wer will ich sein?
Ausgangspunkt ist die Erfahrung, dass der Wille Gottes kein fremdes Gesetz ist. Im Gegenteil: Wenn ich den Willen Gottes erkenne und danach handle, komme ich ganz zu mir selbst. Je mehr ich mich Gott unterwerfe, desto mehr Freiheit gewinne ich.
Das klingt paradox. Aber war es nicht einen Versuch wert? Was konnte ich verlieren außer vier Wochen Lebenszeit? Ja, ich wollte Freiheit gewinnen. Und ich wollte darüber nachdenken, was mir wichtig ist und was ich in meinem Leben noch verwirklichen möchte. Deshalb war ich in Bingen.
Ja, es klingt paradox – durch Unterwerfung zur Freiheit? Aber den Willen Gottes erkennen heißt auch sich selbst zu erkennen und in dieser Korrespondenz liegt die Kraft. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: nur wer sich selbst annimmt und lieben kann, vermag andere zu lieben und wird die Liebe Gottes finden.
Übrigens: wie oft glauben wir, in unseren Handlungen frei zu sein und unterwerfen uns doch nur unhinterfragt eigenen Mustern, die uns genau diese angestrebte Freiheit nehmen.
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