Serie „Die AfD und ich“ (5) – siehe Themensuche
„Christliche Werte in der Politik“, las ich vor drei Wochen auf einem Wahlplakat. Das Thema interessierte mich. Leider konnte ich nicht daran teilnehmen.
Und so informierte ich mich übers Internet, und ich las: „Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde der Stellenwert von christlichen Werten für das gesellschaftliche Miteinander deutlich: Nächstenliebe, Fürsorge und Hoffnung sind heute selbstverständliche und allgemeingültige Werte, die ihre Wurzel in christlichen Wertevorstellungen haben und das Zusammenleben innerhalb unserer Gesellschaft prägen.“
Wirklich?
Nächstenliebe, Fürsorge und Hoffnung hört sich gut an, sagt aber erst einmal nicht besonders viel aus. Lässt sich die Nächstenliebe mit Flüchtlingsobergrenzen vereinbaren? Oder das Prinzip Fürsorge mit der Privatisierung von Krankenhäusern? Was sind diese Werte im Alltag – auch im politischen Alltag – wirklich wert?
Und dann: Warum „Nächstenliebe, Fürsorge und Hoffnung“? Mit traditionell christlichen Werten verbinde ich ebenso Gehorsam, Gottesfurcht und Homophobie.
Der ehemalige Weihbischof Jaschke meinte, dass christliche Werte zusammengenommen eine „gemeinsame Grundlage“ für Staat und Politik bilden könnten. Dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen. Die Werte in unserer Gesellschaft können wir nur gemeinsam entwickeln, Christinnen und Moslems, Atheisten und Nationalistinnen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sollten sich daran beteiligen.
Geht das überhaupt? Haben wir eigentlich eine gemeinsame Basis?
Ja, ich glaube, dass wir tatsächlich ein gemeinsames Interesse haben. Und das ist nicht die Nächstenliebe, das ist auch nicht der Egoismus. „Jeder Mensch“, sagte einmal mein ehemaliger Supervisor Horst Kämpfer, „jeder Mensch will Bedeutung.“ Und diese Bedeutung können wir uns nur schwer selber machen. Sie muss uns vor allem von anderen gegeben werden.
Weil wir uns nicht genügend beachten, fühlen sich viele Menschen benachteiligt und ausgegrenzt und in ihren Einstellungen, Wünschen und Werten nicht wahrgenommen. Ich glaube, dass genau auch darin eine Ursache für die derzeitigen politischen Entwicklungen liegt. Dass viele Menschen es leid sind, übersehen zu werden, und laut werden mit ihrem Wunsch: Nimm! Mich! Wahr!
Deshalb freue ich mich über jeden Ort, an dem sich Menschen begegnen und sich wertschätzen. Die Kirche kann solch ein Ort sein, ebenso die Kneipe. Oder das Begegnungszentrum, das gerade am Tibarg aufgebaut werden soll, in den ehemaligen Schulgebäuden neben dem Wochenmarktgelände.
Denn nur gemeinsam können wir die Aufgaben der Zukunft lösen. Und ich bin zuversichtlich, dass wir es können. Denn wir haben mehr gemeinsam als wir vielleicht meinen – wie dieses schöne Video aus Dänemark zeigt:
“ Lässt sich die Nächstenliebe mit Flüchtlingsobergrenzen vereinbaren? Oder das Prinzip Fürsorge mit der Privatisierung von Krankenhäusern?“
Klar. Meinst du nicht?
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Hallo Muriel, genau das meine ich ja: Mit diesen Begriffen und „Werten“ lässt sich alles begründen, ob Kriege oder Pazifismus. Nun geht ja die christliche Nächstenliebe auf das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter zurück – und da hilft ein Ausländer einem Biojuden (man kann das auch umdrehen und übertragen), weil er gerade da ist und Hilfe braucht. Die anderen haben weggeschaut. Für mich beißt sich das mit der Forderung nach Obergrenzen. Andere mögen das anders sehen.
Und die Fürsorge gilt ja eigentlich dem Kranken – die Privatisierung von Krankenhäusern aber eher der Profitmaximierung. Ich sehe da alle möglichen Werte verwirklicht, aber nicht unbedingt die christlichen, auf die ich Wert lege.
Herzlichst, Erik
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Och, ich weiß gar nicht. Die Privatisierung von Krankenhäusern ist ja eine komplexe Sache. Das auf Profitmaximierung zu reduzieren und zu unterstellen, dass Fürsorge in staatlichen Organisationen besser gewährleistet ist, finde ich nicht gerechtfertigt.
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Sicher, früher war auch nicht alles besser. Aber ich hatte ja jetzt ein bisschen Gelegenheit, auch mit Krankenhauspersonal zu reden und eigene Erfahrungen zu machen. Die Richtung war schon deutlich: Patienten, an denen nichts mehr zu verdienen ist (Kassenpatienten besonders), werden schlechter behandelt.
Der Punkt ist doch: Beeinflusst der mögliche Gewinn die Behandlung? Ich würde sagen: Durchaus. Das war beim barmherzigen Samariter anders 😉
Ich verdanke übrigens Ärzten, die sich bewusst über die geltenden Regeln hinweggesetzt haben, wohl mein Leben.
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Ich verdanke auch ganz vielen Leute mein Leben, aber sind denn staatliche Krankenhäuser besser als private? Es gibt ja beides, und es gibt sicher auch Statistiken über deren Ergebnisse.
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Nun, die Frage, ob sich Krankenhäuser besser staatlich, privatwirtschaftlich oder konfessionell leiten lassen, überlasse ich lieber den Experten. Für mich spricht nur einiges dafür, dass die Privatisierung nicht aus medizinischen, sondern aus finanziellen Erwägungen erfolgte. Und dass auf der anderen Seite der Kauf nicht altruistischen Motiven entsprang, sondern dem der Profitmaximierung. Das widerspricht meinen persönlichen(!) Werten, die durchaus in der christlichen Tradition wurzeln.
Doch die Ausgangsfrage war ja: Sind die sogenannten christlichen Werte geeignet, eine gemeinsame Wertegrundlage unserer Gesellschaft zu sein? Und welche wären das ganau? Und meine These: Mit „christlichen Werten“ kann man alles begründen.
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„Nun, die Frage, ob sich Krankenhäuser besser staatlich, privatwirtschaftlich oder konfessionell leiten lassen, überlasse ich lieber den Experten.“
Das ist wahrscheinlich vernünftig.
„Und meine These: Mit „christlichen Werten“ kann man alles begründen.“
Da muss wohl sogar ich zugeben, dass die Erfahrung dir recht gibt.
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