Wer in christlichen Kreisen ein wenig Eindruck machen will, bemerkt nach einer getroffenen Verabredung „Jakobus 4, Vers 15“ oder, noch gebildeter, „Conditio Jacobaea“ – das heißt übersetzt: der Vorbehalt des Jakobus. Wem das zu hochgestochen ist, sagt stattdessen einfach: „So Gott will und wir leben“ – und meint nichts anderes als „Wenn nichts dazwischen kommt“.
So habe ich den Satz auch immer wieder einmal gebraucht. Seit dem letzten Jahr aber hat er eine besondere Bedeutung bekommen. In der neuen Lutherübersetzung lautet er im Zusammenhang: „Und nun ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen -, und wisst nicht, was morgen sein wird … Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“
Wenn Gott will. Können wir überhaupt wissen, was Gott will? Deus lo vult – Gott will es – skandierte die Menge beim Aufruf zum 1. Kreuzzug. George W. Bush hatte offenbar auch vor dem Irak-Krieg göttliche Eingebungen. Die EKD – Evangelische Kirche in Deutschland – weiß dagegen: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Und Leonard Cohen singt auf seinem letzten Album: „You want it darker“.
Diese eher theoretische Frage bekommt in meinem Leben eine sehr existentielle Bedeutung. Will Gott, dass ich demnächst sterbe? Dann macht das mit dem Krebs durchaus Sinn. Oder will er, dass ich lebe und noch „dies oder das tue“? Darauf deuten eine Vielzahl von sehr, sehr glücklichen Zufällen – oder göttlichen Wundern, je nach Sichtweise. Oder ist Gott das eigentlich egal? Ich weiß es nicht.
Als ich im letzten Jahr die Diagnose erhielt, dass ein Brustwirbel durch eine Metastase zerstört war, hatte ich gerade die erste Hälfte der „Ignatianischen Exerzitien“ bei den Jesuiten in Bingen absolviert. Ich musste sie abbrechen. Vor zwei Monaten habe ich mich für die zweite Hälfte angemeldet, im Juli 2017. Das kam mir zunächst sehr waghalsig vor: Kann ich, darf ich überhaupt in meiner Situation so weit im Voraus planen?
Aber dann habe ich auch die Ermutigung gespürt, die in diesem Satz liegt: Ja, wenn Gott es will, dann wird es sein können. Und wenn nicht, dann soll es auch nicht so sein. In beiden Fällen heißt es aber: Ich bin Teil eines Plans, auch wenn ich ihn noch nicht kenne. Das gibt mir die Verantwortung für jeden Tag, dass ich das nicht verpasse, was ich heute tun soll. Und wenn es mein letzter ist. Aber wenn Gott will, werde ich im Sommer die Exerzitien beenden.
Und wenn Gott nicht will? Dann gibt es noch immer eine Möglichkeit. In der Bibel wird erzählt, dass Abraham voller Selbstbewusstsein mit Gott verhandelte – und Gott sich auf den Handel einließ. Gut, letztendlich musste sich Abraham geschlagen geben, aber einen Versuch war´s allemal wert.
Ein solches Selbstbewusstsein auch Gott gegenüber, das wünsche ich mir. Dass ich mich nicht als Opfer der Verhältnisse betrachte. Dass ich mich nicht fürchte, weder vor der Zukunft noch vor dem Leben. Hat Paulus nicht an seinen Freund Timotheus geschrieben, dass wir einen solchen Geist von Gott bekommen haben – nicht „den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“? Ja, es gibt Zeiten, in denen ich ihn spüre. Nicht immer, aber immer wieder.
Mag deine Gedanken, deine Worte, dein Ringen Frank
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Das Gottesbild vom allmächtigen Gott macht mir auch Probleme. Es fällt mir schwer, Gottes Wirken in unserer Welt zu erkennen. Dafür sind einfach zu viele Menschen im Mittelmeer ertrunken und in Aleppo zu Tode gebombt worden.
Einer der Pastoren, die ich öfter höre, fragte das neulich in der Predigt, ob man ein Gottesbild habe von einem Gott wie ein Marionettenspieler.
Dieses Gottesbild möchte ich nicht mehr haben. Aber ich suche noch nach einem neuen….
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