* Hineni

Das Wort ist hebräisch und heißt übersetzt „Hier bin ich“. In der Bibel sagen es Menschen, die von Gott oder von Menschen angerufen werden: „Wo bist du?“ Mose wurde zum Beispiel aus dem Dornbusch gerufen und Abraham von seinem Sohn, Josef von seinem Vater und Samuel im Traum.

„Hineni“ ist aber viel mehr als das Signal, dass man den Ruf gehört hat. Es ist mehr noch eine Haltung, eine Lebenshaltung und meint: „Hier bin ich, mit allen meinen Sinnen. Ich bin wach und bereit. Ich höre und bin bereit zu folgen.“ Wer „Hineni“ sagt, macht mit einem Wort den Schritt von der Unverbindlichkeit in die Verpflichtung und Verantwortung.

Nun habe ich schon meine Schwierigkeit mit der Vorstellung, dass Gott spricht. Kommt da tatsächlich eine Stimme aus dem Off? Und woher weiß ich, dass es die Stimme Gottes ist und nicht die meiner Ängste, Wünsche und Schwächen? Zu oft haben zu viele Menschen Unsinn erzählt im Namen Gottes.

Viel lieber sage ich für Gott „das Leben“. Das Leben hat zu mir gesprochen durch die Krankheit, durch andere Menschen, in meine Gedanken und Gefühle hinein. Und wenn das Leben zu mir spricht, möchte ich wach sein und nicht daran vorbeigehen.

Das Leben schenkt mir viele Möglichkeiten. Und nimmt sie. Das Leben gibt mir Freiräume und Aufgaben. Ich möchte die Aufgabe meines Lebens erkennen und tun.

Und dann fällt es mir auch nicht mehr schwer, „Gott“ zu sagen. In einem alten Morgengebet heißt es: „Herr, unser Gott, wir danken dir für die Ruhe der Nacht und das Licht dieses neuen Tages. Lass uns bereit sein, dir zu dienen. Lass uns wach sein für dein Gebot.“

Heute wird das Leben wieder zu uns sprechen. Nachher wird der Arzt uns verraten, ob man bei der CT-Untersuchung in der letzten Woche Metastasen entdeckt hat oder nicht. Das Ergebnis wird unser Leben in den nächsten Monaten entscheidend bestimmen. Aber egal wie es ausfällt, ich möchte sagen können: „Hineni.“ Ich möchte die Aufgabe, die das Leben mir stellt, sehen und annehmen.

Leonard Cohen singt am Ende seiner Gottesanklage „You want it darker“, nach einem Leben voller Depressionen und Erfolge, Reichtum und Armut, Liebe und Trennung, Licht und Dunkel: „Hineni – I´m ready, my Lord“. Und es klingt wie ein Abschied, gelassen und einverstanden. Es klingt wie Hiob, der sich am Ende seiner Auseinandersetzung mit Gott in dessen Willen fügt oder Harold Kushner, der Gott vergeben kann („Wenn guten Menschen Böses widerfährt“).

Nicht nur das Leben spricht zu uns. Am Ende unseres Lebens auch der Tod. Auch ihm möchte ich dann antworten können: „Hineni – I´m ready, my Lord.“ Ich bin bereit.

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5 Gedanken zu “* Hineni

  1. Daniel Birkner schreibt:

    Ich wünsche dir ganz viel Hineni-Kraft! Und in der Tat glaube ich auch, bzw. es ist meine Erfahrung, dass Gott am wenigsten durch Worte spricht: Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle, Intuitionen, Musik – seine Ausdruckmöglichkeiten sind viele. Er spricht durch das Leben zu uns. Wer wie Du in einer solchen Situation Hineni sagen oder beten kann, ist eins mit Ihm, den erfüllt seine Kraft, den richtet gerade ein Engel auf und macht ihn offen und wach und stark. Von solcher Kraft wünsche ich dir sehr viel in diesen Tagen, und wenn es sein darf, sage ich dir gerne auch: „Hier bin ich“, um an deiner Seite zu sein.

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  2. Martina Kaul schreibt:

    Lieber Erik
    Auch ich wünsche Dir ganz viel Kraft und viel Mut für`s Kämpfen. Ich weiss, Du schaffst es mit Engelskraft. Werde jeden Tag an Dich denken und beten.

    Und auch ich sage zu Dir : “ Hier bin ich “ ,

    Deine Martina

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