Serie: Die AfD und ich (2) – siehe „Themensuche“
Mein erster Eindruck von dieser Partei ist: Sie macht es mir so schwer wie möglich, sie zu verstehen oder überhaupt mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie redet davon, christliche Werte verteidigen zu wollen. Aber wenn es konkret wird, dann unterscheiden sich ihre und meine Vorstellungen davon erheblich. Ich stehe den Flüchtlingen offen gegenüber, bin für den Euro und Europa, kann mir andere Familienformen als die traditionelle vorstellen, finde Nationalismus gefährlich und die Umgangsformen der AfD furchtbar.
Meine politische Meinung beziehe ich vor allem aus den Online-Medien der Zeit, flankiert von Spiegel, Süddeutscher, FAZ und Welt.
Und trotzdem möchte ich versuchen sie zu verstehen, vielleicht sogar mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Weil sie meine Mitmenschen sind. Weil sie zu unserem Stadtteil gehören. Weil sie vielleicht sogar berechtigte Anliegen aufgreifen.
Vielleicht gehören sie ja sogar zu meiner Familie. Im August 2014, kurz vor der Landtagswahl in Thüringen, waren wir auf Verwandtenbesuch in Ostdeutschland. Einige von ihnen haben die letzten Kriegsmonate in Königsberg erlebt. Es müssen furchtbare Erlebnisse gewesen sein. In der DDR fanden sie dann eine Heimat. Das System hatte zwar auch für sie Nachteile, aber sie kamen zurecht. Das änderte sich total nach der Wende. Ja, einige von ihnen kamen mit dem neuen System zurecht. Die wechselten dann oft in den Westen. Andere wurden abgehängt, allein gelassen von Staat und Politik. Manchmal zerbrachen darunter auch Familienstrukturen.
Die Klagen wurden mit einer Emotionalität vorgetragen, dass ich mich fragte, ob sie vielleicht sogar die NPD wählen würden. Ich weiß es nicht. Aber nachdem ich die Botschaften der AfD hörte, gewann ich den Eindruck: Das sind die Antworten auf die Fragen und Bedürfnisse, die uns Menschen dort erzählt hatten.
Und ich hatte eine erste Antwort: Das sind typische AfD-Wählerinnen und Wähler.
Und als im November Trump gewählt wurde, hatte ich auch das amerikanische Gegenstück: Seine Wähler gehören zu den „Angry White Men“, den Redneck aus der Provinz. Abgehängte Leute aus dem Rust Belt, die gerne mit ihrer Flinte ballern, überdimensionierte Pickups fahren und Hank Williams Jr. hören. Menschen mit einer großen Wut gegen Clinton, die Liberalen, Städter und Politiker. Kreationisten, deren Weltbild aus Gott, Familie und Waffen besteht. Gegner von allem, was liberal und vernünftig ist. Kurz: Sehr schwierige Menschen.
3 Gedanken zu “Die AfD verstehen – ein schwieriges Kapitel”