Was mir in diesem Jahr an Weihnachten besonders wichtig sei, wurde ich letztens gefragt. Und es war dieser Spruch des Propheten Jesaja, der im Alten Testament steht. Das Licht scheint in der Dunkelheit. Das will ich gerne glauben, das will ich hoffen.
Und ich höre von den Kanzeln: Das neugeborene Kind, das wir in dieser Zeit feiern, sei eben dieses Licht, das in die Welt gekommen ist und alle Menschen erleuchtet. So habe ich es selbst Jahr für Jahr verkündet. Heute geht mir das entschieden zu schnell. Mir wird dabei die Dunkelheit unterschätzt.
Natürlich wusste ich von den Kriegen und der Einsamkeit, die gerade an Weihnachten besonders ins Bewusstsein kommen. Und ich hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass das Leben durchaus einem Ritt über den Bodensee gleicht und dass das Leben grundsätzlich unsicher ist. Gleichzeitig konnte ich schon immer wenig mit der christlichen Rede von „Die Welt ist ein Jammertal“ anfangen oder der buddhistischen vom „Leben ist Leiden“. Leiden war in meiner Erfahrung etwas, das grundsätzlich mit guten Ärzten und Gesprächspartnerinnen in den Griff zu bekommen war.
Das sehe ich etwas anders, seitdem ich die Diagnose „Krebs, unheilbar“ bekommen habe. Dunkelheit, so habe ich seitdem das Gefühl, ist vielleicht nicht der Normalzustand, aber so etwas wie ein Grundzustand dieser Welt. So unterschiedliche Menschen wie die Existentialisten des 20. Jahrhunderts, AfD-Wähler oder Krebspatienten, aber auch andere Menschen sind dafür besonders sensibel. Und sie reagieren besonders allergisch, wenn sie den Eindruck haben: Hier wird zu schnell Trost zugesprochen. Hier wird vertröstet.
Die Dunkelheit wird nicht dadurch vertrieben, dass wir über das Licht reden – und sei es physikalisch noch so korrekt. Sondern indem wir ein Licht anzünden. Kerze, LED, völlig egal. Oder indem wir einfach die Augen aufmachen, wenn die Sonne scheint.
Und die Dunkelheit unter uns Menschen wird nicht dadurch vertrieben, dass wir über das Kind in der Krippe reden. Sondern indem wir einander helfen, uns unterstützen und Mut machen. Ich hab´s erlebt, glücklicherweise.
Und natürlich gibt es auch die Sonne, die – bildlich gesprochen – in unser Leben scheint. Und wir brauchen nur die Augen aufzumachen und sehen, wie schön die Welt ist und uns daran freuen.
Aber anders als die physikalische Sonne ist die persönliche nicht berechenbar. Manchmal ist sie da und manchmal und für manche Menschen nicht.
Nicht die Dunkelheit ist das Wunder, sondern das Licht.