Serie: Die AfD und ich (1)
Ich gestehe: Ich bin nicht perfekt. Manchmal mache ich Fehler, manchmal verletze ich andere Menschen, manchmal nerve ich einfach. Ich rede mal zu viel, mal zu wenig, mal das Falsche. Ich sehe meine Grenzen, die meisten jedenfalls, und sie liegen deutlich vor meinem Horizont. Aber das Gute ist, und das beruhigt mich dann wieder: Das ist nicht ganz so schlimm. Denn ich gehöre zu den Guten. Prinzipiell wenigstens.
Ich bin tolerant gegenüber allen möglichen Lebensentwürfen, unterstütze die Flüchtlingsarbeit unserer Gemeinde und finde, dass die Menschenrechte für alle Menschen gelten. Meine Kinder waren alle im Ausland und können nicht verstehen, warum die Amis Trump gewählt haben. Ich bin stolz auf sie.
Seit dem Sommer bin ich bei Facebook. Ausnahmslos alle Beiträge in meiner Timeline sind grundsätzlich flüchtlingsfreundlich. Die kritischsten Kommentare kommen vom CDU-Abgeordneten, dessen Freundschaftsanfrage ich einmal bestätigt habe. Das ist auch nicht weiter dramatisch; seine Partei ist in unserer Flüchtlingsinitiative natürlich mit vertreten.
Sollte ich mich einordnen, wäre es irgendetwas zwischen sozial, liberal, eher links mit einem Hang zum Globalen. Und ich bin definitiv nicht wie die da – die, darf ich es aussprechen? – die von der AfD. Ich kenne auch niemanden von denen. Zumindest hat sich noch keiner von meinem näheren Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis dazu bekannt. Und in meiner Facebook-Timeline kommen sie nicht vor. Und dabei bin ich doch so offen nach allen Seiten.
Sehr schön hat das einmal Georg Diez erzählt, kurz nach der Wahl Donald Trumps. Er beschrieb in seinem Artikel „Der Bürgerkrieg des weißen Mannes“ eine Wahlkampfveranstaltung der Demokraten an der Universität von Durham – alles nette Menschen, liberal, offen, multikulturell. Danach war er bei einer Trump-Party und traf dort – nicht nur, aber vor allem – „wilde weiße Männer“, die „die Bibel schwenkten“ und schrien: „Lock her up“ – schließt Hillary weg. Hier die Guten, dort die Bösen, ganz klar und offensichtlich.
Nun ist Georg Diez jemand, dessen Werte ich fast alle teile und dessen Meinung fast nie. Denn in seinen Kolumnen begegnet mir sehr häufig ein solides linksliberales Schwarzweiß-Schema. Und wenn mich das Leben eines gelehrt hat, dann dass die meisten Erscheinungen in Grautönen daherkommen.
Außerdem erinnerte ich mich an das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner aus der Bibel. Für die Juden war ganz klar: Die Guten sind die Pharisäer, die Bösen die Zöllner. Jesus kehrt diese Gleichung um und macht die Pharisäer zu den eigentlichen Sündern. Weil sie so selbstgerecht sind.
Das stimmte mich nachdenklich. Und ich machte mich auf den Weg zu verstehen, was die AfD-Anhänger bewegt. Was gar nicht so leicht ist für jemanden wie mich.
Update: In einer früheren Fassung hatte ich „Lock her up“ übersetzt mit „Hängt Hillary auf“. Das hat Trump nun doch nicht gesagt, und ich habe es nach einem Hinweis meiner Tochter ebenso korrigiert wie die Aussage, dass ich die Freundschaftsanfrage des Abgeordneten geliket hätte.
4 Gedanken zu “Wir Guten”